29.05.2015 Dr. Fariborz Saremi

Rohanis Ziele: Sind langsame und schrittweise Reformen einem gewaltsamen Aufstand vorzuziehen?


Ali Hassan Ajatollah Iran Präsident Staatsoberhaupt religiös-politisches Führer Ruhani

Ayatollah Khamenei (l.) und Ayatollah Rouhani (r.).

Der iranische Präsident Hassan Rohani erscheint einigen im Westen als ein Revolutionär, der scharf darauf ist, Iran in einen prowestlichen Verbündeten zu transformieren. Das ist allerdings weit von der Wahrheit entfernt. Was er für sein Land bevorzugt, ist eine langsame und gleichmäßige Entwicklung hin zu einem normalen und ausgewogenen Nationalstaat. Er ist keineswegs ein liberaler Demokrat. Mit anderen Worten ist er darauf erpicht, plötzliche und gewaltsame Veränderungen zu vermeiden, die vermutlich eine Zerrüttung - wie beim sogenannten „Arabischen Frühling“ - verursachen könnten.

Die Atom-Rahmenvereinbarung zwischen Iran und der G5+1 sollte man als Ergebnis eben dieses sukzessiven Ansatzes und nicht als einen ersten Schritt zu einer revolutionären Wende in der iranischen Innenpolitik sehen. Die Vereinbarung bietet zwar eine echte Chance, Iran von der Entwicklung von Atomwaffen abzuhalten, aber sie wird nicht eine neue demokratische Morgendämmerung einläuten, in dem Iran nun alle Menschenrechte, wie sie die Internationale Gemeinschaft einfordert, achten wird.

Die Vereinbarung bedeutet nicht, dass diejenigen starken Kräfte in der iranischen Führung, die strikt gegen demokratische Reformen und die Annäherung an den Westen sind – also Ayatollah Khamenei und die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran, IRGC) - plötzlich dahinschwinden werden. Im Gegenteil: Präsident Rouhani muss behutsam vorgehen, wenn es darum geht, einen positiveren Umgang mit der westlichen Welt einzuleiten. Er kann von Veränderungen sprechen, aber er kann sie nicht erzwingen.

Es gibt allerdings einen Schlüsselfaktor zu seinen Gunsten: Die konservative Führung in Iran wird immer älter, und die Bevölkerung hat eine große jugendliche und dynamische Basis, die zwar noch keinen direkten Einfluss auf die Atomverhandlungen haben kann, aber im zukünftigen Iran sicherlich ein gewichtiges Wort mitzusprechen hat.

Der Westen hatte große Hoffnungen darauf gesetzt, dass die jüngeren Generationen einen raschen Wandel bewirken könnten. Sie wurde von der „Grünen Bewegung“ im Jahr 2009 angeregt, als tausende Iraner öffentlich gegen das demonstrierten, was sie als gefälschte Wahlen betrachtet haben, nur damit diese Protestbewegung schließlich gewaltsam aufgelöst wird. Nichtsdestotrotz war sie ein klares Zeichen für ein starkes Gefühl und die Bereitschaft innerhalb des Landes, einen politischen Wandel zu ergreifen.

Während auf der einen Seite die Atomverhandlungen zu Unrecht einen Überoptimismus anfeuern könnten, dass Reformen sehr bald kommen werden, sollten sie nicht auf der anderen Seite den Spirit dämpfen, wenn es klar wird, dass eine geänderte Atompolitik nicht in einen zügigen innenpolitischen Wandel umgemünzt werden kann.

Die jungen Iraner haben aus ihren Erfahrungen von 2009 gelernt. Sie sind zwar immer noch begeistert von der Idee des Wandels, aber sie wissen auch, dass sie neue Strategien anzuwenden haben. Sie scheinen zu akzeptieren, dass - so wie es offenbar Präsident Rouhani es offenbar tut -  langsame und schrittweise Veränderungen in einem Land, das von einem repressiven Regime in Schach gehalten wird, auf lange Sicht effektiver sind,  als der Versuch eines dramatischen Protests oder eines gewaltsamen Wandels in der Gegenwart. Darüber hinaus genießen die Straßen Irans zumindest und weiterhin eine relative Sicherheit, trotz der stark geschwächten Wirtschaft und der ungewissen wirtschaftlichen Aussichten für junge Menschen. Dies ist ein wichtiger Faktor, da andere Ländern, in denen es zu gewaltsamen Revolutionen gekommen ist, ins Chaos fielen. Dieser Umstand hat Rohani die Hebelwirkung gegeben, um Präsident zu werden.

Die Schlussfolgerung muss daher sicherlich die sein, dass Rohani weiterhin die Unterstützung von vielen Iranern erhalten wird, die akzeptieren, dass er sie in Richtung eines einfacheren und komfortableren Lebens führen kann, ohne das Ruder zu stark an sich zu reißen, wo dann das Regime mit seinen typischen massiven Unterdrückungsinstrumenten heftig reagieren würde. Auf diese Weise können junge Menschen ihren Traum von einem besseren und offeneren Leben erfüllen, während sie bei der Geschwindigkeit, mit der die Reformen vollzogen werden, auf Kompromisse eingehen. Geduld wird dann der Schlüssel sein, sowohl innerhalb des Landes, als auch und unter denen, die außerhalb Irans leben und am einfrigsten die Agenda des Wandels pushen.


Dr. Fariborz Saremi ist Mitglied bei der „International Strategic Studies Association“ (ISSA), eine Denkfabrik, die weltweit Regierungen in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik berät. Erstmals veröffentlicht am 20. Mai 2015 bei CounterPunch. Übersetzt von Shayan Arkian.


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Gast29-05-15

Der Autor versteht nicht, dass die meisten Iraner für die Islamische Republik sind und daher sämtliche Analogien mit dem „Arabischen Frühling“ deplatziert sind:

- http://irananders.de/nachricht/detail/805.html

- http://irananders.de/nachricht/detail/427.html

Andreas Lotter29-05-15

Vor allem das Beispiel des Arabischen Frühlings zeigt, daß dies niemals der richtige Weg sein kann. Auch in Iran selbst gab es ja bereits eine Revolution, welche auch nicht zum gewünschten Erfolg führte. Revolutionen verändern sehr viel sehr schnell, aber selten so wie es die Menschen auf der Straße, welche die Revolution ermöglichen, sich wünschen.

Eine behutsame Reform von innen ist also der absolut richtige Weg. Es gibt in Iran viele Menschen, welche meinen im direkten Anschluß an den Westen läge das alleinige Heil. Bei dieser Idee handelt es sich aber nur um ein Hirngespinst junger Iraner, welche noch nie im Ausland waren. Auf der anderen Seite gibt es auch traditionelle Iraner, welche das aktuelle System gut heißen. Auch diese müssen in der Zukunft eines friedlichen Iran ihren Platz finden und auf dem Weg zu all den gewünschten und geplanten Reformen mitgenommen werden. Manchmal ist dies nicht ganz einfach.

Das größte Problem ist derzeit sowieso nicht die politische, sondern die wirtschaftliche Lage. Und hier setzt Rohani zu allererst an und kann sich sicher sein hier eine überwältigende Mehrheit aller Iraner hinter sich zu haben.

Langfristig wünsche ich mir den Erfolg der Strategie von Rohani, wirtschaftlichen Aufschwung und Perspektive, sanfte Reformen hin zu mehr Demokratie, Reduzierung der theokratischen Elemente in der Staatsführung auf repräsentative Aufgaben (wie die des Bundespräsidenten in Deutschland), Auflockerung der Kleiderordnung und die Legalisierung von Alkohol, aber alles sanft, langsam, gut überlegt und so, das jeder Zeit hat dabei mitgenommen zu werden.

Damit würde der Iran seinen Frieden mit sich selbst wieder finden, aber auch wir in Europa würden im Iran einen sehr wichtigen regionalen Verbündeten finden, welcher mit seinem Gesellschaftsmodell dem der arabischen Nachbarstaaten weit überlegen sein wird.

matt29-05-15

Eine Suggestion von Veränderungen hin zum Westen dazu gepaart mit unterschwelligen Botschaften der Iran hätte ein nicht friedlichen Atomindustrie Komplex. Auch ist die Vereinnahmung der gesamten jungen Generation für die Forderungen hin zum Westen völlig falsch. Es mag in der Hauptstadt viele junge Leute geben welche mehr Dellmokratie ala Westen wollen nur die gab es in Libyen und Syrien auch und da wurden sie vom Westen benutzt um das Land zu zerstören. Davon das die Wahl 2009 nicht nur sauber war und es kann keine Manipulationen gab steht hier genauso wenig wie das die meisten jungen Menschen den Weg von seinembVorgänger gehen wollen. Denn dieser würde Aktuell jede Wahl mit weitem Abstand gewinnen. Weil dieser in der Innenpolitik wie Außenpolitik den iranisch Weg der eigen Kraft und vollen Souveränität ging und das aus weiser leiblicher Erfahrung. Daher bitte solche Artikel einfach als westliche Politik markieren. Wer dies meint zu wollen und diesen Weg hier mittragen oder fördern zu wollen welcher Aktuell die jetzige Politik im Iran gegangen wird ist nur an einem Schwachen Iran interessiert abhängig von den USA & Co. Und das Ergebnis sollte klar sein... Siehe Ukraine, Syrien, Jugoslawien usw.

siglinde30-05-15

ach, darum geht es: Legalisierung von Alkohol...damit die Iraner zukünftig auch besoffen und gröhlend durch die Strassen rennen dürfen ?!
Ich hoffe doch, dass die Iraner nicht so dumm sind....und unter Freiheit mehr verstehen als Saufen, Arsch und Titten.(entschuldigen Sie die Ausdrucksweise)musste aber mal gesagt werden.





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