25.08.2014 Andreas Lotter

Erlebnis einer Bahnreise von der Türkei nach Iran


Bahnreise Türkei Iran Trans-Asia-Express

Auf den langen Weg nach Teheran.

Es gibt auf der Welt einige sehr bekannte Bahnstrecken und Züge, welche bei den Kennern nicht selten schon einen mystischen Stellenwert haben. Die Transsibirische Eisenbahn gehört sicherlich dazu, wie auch die berühmten Bergstrecken in der Schweiz oder der IndianPacific in Australien als auch der „Zug über den Wolken" von Argentinien über die Anden bis nach Chile.

Als gleichwertig in dieser ehrenwerte Reihe kann aber auch der Trans-Asia-Express gelten. Dieser Zug verkehrt zum einen nicht weit von Mitteleuropa entfernt und zum anderen hat er für uns Europäer sehr günstige Fahrpreise – ja, ihn kann man sogar zum Schnäppchenpreis besteigen.

Der türkische Teil der Bahnreise

Historisch verkehrt der Trans-Asia-Express ab dem asiatischen Bahnhof von Bahnhod Istanbul Haydarpasa über Ankara, Kayseri und Sivas, bis tief in den Osten der Türkei hinein, um sein vorläufiges Ende am Westufer des Vansees, in Tatvan, zu finden. Aufgrund vieler Modernisierungsmaßnahmen am Bahnsystem rund um Istanbul verkehrt dieser Zug derzeit aber erst ab Ankara - ob in absehbarer Zeit wieder eine Rückkehr nach Istanbul kommen wird, muss abgewartet werden.

Die Höhepunkte einer Bahnfahrt auf dieser Route warten aber sowieso erst weit östlich von Ankara. In Tatvan ist die Reise aber keineswegs zu Ende. Die Reisenden wechseln lediglich das Verkehrsmittel und steigen um auf eine bereitstehende Eisenbahnfähre, die die Fahrgäste in einer mehrstündigen Überfahrt bis ans Ostufer des Sees in die gleichnamige Stadt Van bringt. Hier erfolgt ein weiterer Umstieg in einen aus Iran kommenden Zug, der nun die nahe gelegene Grenze zu Iran überquert, um die Reisenden über Täbris bis in die Hauptstadt Teheran zu bringen. Erst an dieser Stelle findet die interessante Reise ihr Ende.

Einmal die Woche, immer Mittwochs, geht es auf Gleis 2 in Ankara pünktlich um 10:25 Uhr los. Ist das Personal noch auf der Strecke Istanbul-Ankara rein türkisch, so sind unter den Reisenden dieses Zuges kaum noch Türken vertreten. Es steigen in Ankara vor allem westliche Touristen auf Abenteuertour zu. Als im Flur meines Wagens auf einmal nur noch „Schwyzerdütsch“ erklingt, glaube ich zunächst an einen Scherz. Aber sind nicht gerade die Schweizer die besten Zugfahrer der Welt? Ebenso sehr gut vertreten sind Deutsche, danach folgen Spanier und Franzosen. Ein Finne ist sogar extra nach Ankara eingeflogen, nur um mit diesem Zug zu fahren, zwei Tage nach dem Eintreffen in Teheran wird er wieder nach Hause fliegen. Insgesamt also ein Kurzurlaub von einer Woche, bei dem es nur um diesen Zug geht. Ist das nicht ein Beweis für die touristische Attraktivität dieser Bahnreise?

Noch während die letzten Vororte von Ankara vorbeiziehen, ist es Zeit, den Speisewagen zu testen. Dieser wird, wie fast immer, von einem sehr motivierten Kellner der türkischen Eisenbahn geführt. Dieser weiß, was seine Kundschaft auf dieser Fahrt braucht: Im Zielland Iran ist ja Alkohol untersagt, so soll sich der Reisende in diesem Speisewagen noch einmal seine „letzte Ölung“ geben. So geht es auch gleich mit einem Efes los. Gerüchten zufolge erwirtschaftet der Speisewagen dieses Zuges die besten Umsätze in der ganzen Türkei. Da die Fahrpreise niedrig sind, ist es durchaus vorstellbar, dass im Speisewagen mehr Umsatz erwirtschaftet wird, als durch den Verkauf der Fahrscheine.

Nach sieben Stunden Fahrt wird Kayseri erreicht, die erste Großstadt östlich von Ankara. Hier steigt die zweite Hälfte der Reisenden zu, und alle Plätze sind nun belegt. Die nun hier Zusteigenden sind ausnahmslos Iraner - auf dem Weg zurück in ihre Heimat, häufig nach einem Urlaub oder einem Verwandtschaftsbesuch. Diese fluten den mitgeführten Gepäckwagen.

Ich teilte mein Vier-Personen-Abteil seit Ankara mit dem besagten Finnen und nun kommen ein Iraner und seine junge Nichte dazu. Zunächst sind wir traurig, dass wir wegen der Enge nicht mehr unter uns bleiben können. Auch die Iraner scheinen auf dem ersten Blick nicht ganz glücklich damit zu sein, ihre Reise nun mit uns teilen zu müssen. Da ihr Englisch auch nicht gut ist, kommt in den ersten Stunden kaum eine Kommunikation zu Stande. Trotzdem sollte es sich später für uns noch auszahlen, mit diesen Iranern eine Zweckgemeinschaft zu bilden.

In den Abendstunden rollen wir durch das mittelanatolische Hügelland, und langsam lernen wir unsere neuen Mitreisenden kennen. Wir organisieren das Abteil und teilen unser Essen. Es fällt auf, dass der türkische Speisewagen kaum von Iranern besucht wird, was wohl daran liegen muss, dass aufgrund der derzeitigen schwachen iranischen Währung die Preise für Iraner sehr hoch sind. Trotzdem sitzen unsere beiden Iraner am Abend auf ein Glas Tee im Speisewagen. Ich geselle mich dazu, und mir gelingt der Coup: Ich zahle die drei Tee für alle - ein seltener Erfolg eines Ausländers gegenüber einem Iraner.

Am nächsten Morgen geht es stundenlang durch die herrliche ostanatolische Landschaft - immer weiter und weiter hinauf. Man bekommt einen echten Eindruck vom wilden Kurdistan. Aber man sieht auch viele Staudammprojekte, welche Narben in die Landschaft reißen und die die Verlegung der Bahn innerhalb der nächsten Jahre an einigen Stellen notwendig machen. Und auf einmal sind wir auf der einsamen Hochebene, die Landschaft ändert sich schlagartig. Schneebedeckte Berge tauchen im Blickfeld auf. Der Zug fährt nun nur noch sehr langsam - dem schlechten Zustand der Gleise geschuldet. Eigentlich sind es nur noch wenige Kilometer bis Tatvan, der vorläufigen Endstation, aber es dauert trotzdem Stunden. Dies lässt aber die Zeit, die Landschaft eingehend zu betrachten.

Endlich taucht der Vansee im Blickfeld auf und der Zug schlängelt sich runter in den Bahnhof von Tatvan. Er wird nun rückwärts von der Lok auf eine Stichbahn gedrückt, welche an das Seeufer hinunter führt. Hier steigen alle Reisenden aus und nehmen Platz auf einer alten und rostigen Eisenbahnfähre. Der Gepäckwagen wird noch auf die Fähre rangiert, er wird uns weiter begleiten. Dann verschwindet der mittlerweile leere türkische Zug wieder zum Bahnhof hinauf. Und nun werden wir zum Ostufer des Vansees verschifft.

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Eisenbahnfähre im türkischen Tatvan.

Der Vansee liegt auf einer Höhe von über 1.700 Metern, und der Bodensee hätte darin in etwa zehn Mal Platz. Schneebedeckte Berge umrahmen ihn in einer kargen Landschaft. Touristen sind an seinen Ufern kaum anzutreffen. Die Vegetation um den See herum ist schroff, karg und eher abweisend. Zum Südufer hin, dem unsere Fähre folgt, steigen sofort karge Berge auf. Aufgrund des aggressiven Seewassers sind die hier seit einigen Jahrzehnten Dienst tuenden Eisenbahnfähren stark von Rost angegriffen und scheinen es nicht mehr allzu lange zu machen. Als unsere Fähre ablegt, zieht der Himmel zu, es weht ein kalter Wind und bald kommt Regen auf. Passendes Wetter zur Stimmung am See. Auf der Fähre gibt es bereits kein Bier mehr.

Jetzt sind aber alle Reisenden gemeinsam in einem Raum und können sich endlich einmal besser kennenlernen als in den Zugabteilen oder -fluren. Sofort kommen die Iraner mit den Touristen in Kontakt und es wird gegenseitig zum orientalischen Tanz aufgefordert. Jeder ist begeistert, draußen wird es mittlerweile dunkel und man versäumt eh nichts.

Der iranische Teil der Bahnreise

Ab dem Verladekai in Van, das gegen 21 Uhr am Abend erreicht wird, führt ein einsames Gleis 70 Km weiter nach Osten, nahe am biblischen Berg Ararat vorbei in Iran.

Hier erwartet uns der Gegenzug aus Iran, der seine Reisenden an die Fähre abgibt, während wir im orientalischem Chaos versinken. Keine Reservierung ist für diesen Zug mehr gültig, das iranische Zugpersonal bittet die Reisenden, Vierergruppen zu bilden und einen Vertreter jeder Gruppe mit allen Tickets und Pässen hervortreten zu lassen. Diesem wird dann ein Abteil zugewiesen. Da das Personal nur persisch spricht, ist nun derjenige im Glück, der einen hilfreichen Iraner an seiner Seite hat. Selbst wenn man es schafft, sich sein Abteil ohne iranische Hilfe zuteilen zu lassen, hat man immer noch ein Problem. Denn die neuen Platznummern werden nur in persischen Zahlen angegeben, die für westliche Reisende nur Hieroglyphen sind. So aber finden wir recht schnell aufgrund unserer alten Reisegruppe mit dem Iraner und seine Nichte ein neues Abteil und - welch Wunder - der iranische Zug ist komfortabler als der türkische.

Erstmalig interessiert sich nun auch das iranische Zugpersonal, ob auch alle Fahrgäste über ein Visum für Iran verfügen. Im türkischen Zug spielte dies keine Rolle, wenn sich da jemand ein Ticket ohne Visum ergattert hätte, dann würde er jetzt eben mitten in einer leicht verregneten und kalten Nacht am Verladepier von Van stranden - keine so tolle Aussicht.

Nun müssen sich die ausländischen Fahrgäste an den Rhythmus des iranischen Speisewagens gewöhnen, was nicht jedem auf Anhieb leicht fällt. In der Türkei läuft es ab wie bei uns: Jeder kommt und geht, wann er will. In Iran sollte man sich dagegen besser dem Zeitplan des Personals anpassen. Früher oder später kommt der Schaffner und fragt jeden, ob und was er essen will. Die Züge sind aber so gut ausgestattet, dass die Mahlzeiten auch problemlos im eigenen Abteil eingenommen werden können. Auch beim Ablauf dieser Bestellungen sind unsere iranischen Freunde wieder sehr hilfreich, da längst nicht jeder Mitarbeiter der iranischen Eisenbahnen Englisch spricht. Und immer wieder wird jeder Reisende unaufgefordert mit Tee und kleinen Snacks versorgt. Überhaupt ist es verrückt, wie viel Personal in so einem iranischen Zug mitfährt. Rationalisierungsmaßnahmen bis zum Äußersten, wie wir es im marktwirtschaftlichen Westen kennen, gibt es so in der Islamischen Republik Iran noch nicht.

Dann erreichen wir mitten in der Nacht die Grenze, also zunächst den türkischen Grenzbahnhof. Obwohl hier eigentlich nur der Ausreisestempel in die Pässe müsste, zieht sich diese Prozedur über Stunden hin. Als es dann endlich weiter geht, kommen wir höchsten fünf Kilometer voran, dann sind wir im iranischen Grenzbahnhof.

Hier werden zunächst von allen Reisenden die Pässe eingesammelt. Stunden später werden die Pässe wieder ausgeteilt, ohne weiteren Kommentar finde ich neben meinem Visum den Einreisestempel. Keiner stellt Fragen, was ich denn in Iran machen oder tun wolle. Direkt danach beginnt das Filzen der Koffer und Taschen. Aber alle Ausländer werden höflichst durchgewunken. Bis diese ganze Prozedur ihr Ende gefunden hat, haben wir eine Verspätung von insgesamt sieben Stunden. Die Nacht ist nun auch kürzer, da hier die Uhren um eineinhalb Stunden vorgestellt werden.

Der iranische Zug fährt nach dem Passieren der Grenze mindestens doppelt so schnell wie zuletzt der türkische Zug auf den letzten Kilometern vor Tatvan, das heißt die Gleise müssen sich wohl auch in einem deutlich besseren Zustand befinden. Ebenso wechselt die Landschaft sich ständig und das Wetter auch. Sehr eindrucksvoll ist, wie wir durch ein Gewitter fahren.

Es ist noch viel Zeit, bis Teheran erreicht wird, und diese wird zum intensiven Kontakt zwischen den Reisenden genutzt. Iraner und Touristen finden zusammen, helfen sich und machen Pläne, sich wieder zu treffen. Und mir fällt in diesem Zug sofort auf, dass die Auslegung der Sittengesetze sehr lax ist. Viele Frauen sitzen bei offener Tür im Abteil oder laufen im Gang herum, und sie tragen kein Kopftuch, niemand würdigt sie jedoch eines Blickes oder Kommentars. Nur wenn es in den Speisewagen geht oder heraus auf den Bahnsteig, dann wird das Kopftuch schnell übergezogen.

Kurz vor zwei Uhr am frühen Morgen wird dann schließlich Teheran erreicht. Die sieben Stunden Verspätung hielten sich bis zum Schluss. Im Bahnhof spielen sich nun herzliche Momente ab, als die Iraner und die Touristen sich verabschieden müssen. Jeder Tourist, der auf diese Weise Iran betritt, hat nun bereits viel über dieses Land gelernt und ist deutlich besser auf das vorbereitet, was nun auf ihn zukommt, als wenn er mit dem Flugzeug angereist wäre. Den Orient kann man nur in seinem eigenen Rhythmus verstehen. Und der Transasia-Express lebt diesen Rhythmus. Bitte steigen Sie ein, und wir wünschen Ihnen eine gute Fahrt.

Andreas Lotter ist Reiseblogger und unternahm eine mehrwöchige Individualreise kreuz und quer durch Iran.


Guy Fawkes25-08-14

Gott segne den Erbauer der Bahnstrecke.

Marcus28-08-14

Interessant wäre evtl. noch zu erfahren, wieviel ein Ticket von Ankara bis Teheran kostete, was es alles an Essen und Trinken im Speisewagen gab inkl. deren Preise. Wie hoch sind die aktuellen Visagebühren? Was für Voraussetzungen sind notwendig, um ein iranisches Visa zu bekommen? usw.

Globetrotter04-09-14

Jeden Reisenden, der was neues entdecken will, kann ich Iran als Destination nur empfehlen! Nach so vielen Jahren Erfahrungen in der Reisebranche, habe ich bisher noch niemanden kennengelernt, der seine Reise nach Iran bereut hätte. Ein Muss für jeden Kulturreisenden!

Andreas13-09-14

@Marcus: Der einfache Bahnfahrschein kostet derzeit nur ca. 50 EUR, die Speisen im türkischen Speisewagen liegen inkl. Getränke bei ca. 10 EUR, im iranischen deutlich darunter. Für die Ausstellung eines Visa sind ca. 80 EUR an Gebühren fällig, aber auch viel Papierkram und ein persönliches Erscheinen in der Botschaft Berlin oder in einem der Konsulate Hamburg, Frankfurt oder München.

Da dies alles viel Aufwand mit sich bringt könnte diese Seite für reiseinteressierte Menschen wie Sie vielleicht von Interesse sein: www.orientbahn-reisen.de

Klaus14-12-17

Gibt es eine Beschreibung im Buchform?





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