28.07.2014 Diako Hosseini

Die Möglichkeiten Irans gegen die ISIS im Irak


Iranische Spezialtruppe Spezialeinheit Iran

Iranische Spezialeinheit.

Die Invasion des Irak durch die terroristische Organisation ISIS (Islamischer Staat im Irak und Großsyrien) ist mitnichten eine erfreuliche Entwicklung, aber noch unerfreulicher wird es werden, wenn die irakische Regierung und die angrenzenden Staaten ihre Handlungsfähigkeit einbüßen.

Der US-Präsident Barack Obama gab bekannt, dass die USA nicht planen, militärische Einheiten in den Irak zu entsenden, um die dortige Regierung im Kampf gegen die Terroristen zu unterstützen. Und sollte Washington doch beschließen, in der Irak-Krise zu intervenieren, würde sich dies auf Luftangriffe beschränken, fügte er hinzu. Mit dieser Haltung, die offensichtlich keine Bereitschaft Obamas erkennen lässt, sein Land erneut in ein düsteres Vorhaben, wie seinerzeit Afghanistan, zu verwickeln, hofft der Präsident schlicht darauf, dass die irakische Regierung allein mit den Militanten der ISIS fertig wird.

Diese Situation erweist sich als einzigartige Gelegenheit für Iran, seine Macht und Gewandtheit im Krisenmanagement zu zeigen, in Abwesenheit der Vereinigten Staaten und in Kooperation mit den anderen Nachbarstaaten des Irak. Es gibt aber einige Gründe, die eine direkte militärische Intervention Irans im Irak nicht ratsam erscheinen lassen:

  • Erstens würde eine derartige Intervention den Krieg zwischen Schiiten und Sunniten nicht nur im Irak, sondern in ganz Vorderasien weiter anheizen. Die USA wären über eine solche Situation einerseits nicht unglücklich und andererseits würde es die Legitimität der politischen Ziele, die ISIS und ihre Unterstützer verfolgen, bestätigen.

  • Zweitens müsste die Islamische Republik nach diesem direkten und unilateralen Eingreifen im Irak alle Kosten einer möglichen Niederlage in diesem Krieg tragen und auch im Falle eines Sieges wird Iran den Vergeltungsmaßnahmen der ISIL und ähnlicher terroristischer Gruppierungen ausgeliefert sein.

  • Drittens wird eine offene Machtdemonstration Irans andere Staaten der Region dazu herausfordern, ein Machtgleichgewicht herzustellen und Allianzen gegen die Islamische Republik zu schmieden.

Aus der Sicht der Nachbarstaaten des Irak, wäre ein mächtiger Iran mit der Möglichkeit, militärische Eingriffe in den Staaten der Region durchzuführen, gefährlicher und weniger vertrauenswürdig. Bedeuten diese Einwände jetzt, dass Iran untätig bleiben und dabei zuschauen sollte, wie sich in seinem Nachbarstaat das Chaos ausbreitet?

Aus der Sicht Irans ist die Präsenz von militanten Salafisten innerhalb der Region nicht nur eine militärische Bedrohung, sondern auch eine politische, die unter allen Nachbarstaaten des Irak Iran am stärksten betrifft. Wenn zugelassen wird, dass ISIS ihre Ziele im Irak umsetzt, würde dies die Unverfrorenheit und das Selbstvertrauen dieser und anderer, ähnlich militanter Gruppen in Syrien und möglicherweise auch im Libanon enorm bestärken. Außerdem haben, abgesehen von Iran, die anderen Nachbarstaaten des Irak drei Jahre an der Seite der Militanten von ISIS gegen die syrische Regierung gekämpft, und sie sind derzeit nicht willens, die Fronten in Syrien zugunsten der legitimen Regierung von Präsident Bashar Assad zu verschieben, indem militärische Schritte gegen die ISIS ergriffen werden.

Selbst wenn die ISIS darauf abzielen würde, auch für die konservativen Monarchien zu einer Bedrohung zu werden, würde dies erst dann passieren, wenn die militanten salafistischen Gruppen ihre offene Rechnung mit der einzigen schiitischen Regionalmacht beglichen haben. Daher sind die sunnitischen und arabischen Nachbarn des Irak vor terroristischen Attacken von ISIS weniger gefährdet als der nicht-arabische und schiitische Iran. Dies gilt insbesondere deshalb, da die ISIS einen großen Teil ihrer geistigen und materiellen Unterstützung sowie ihren Ansporn diesen Monarchien verdankt. Und es gibt hier noch einen gewichtigeren Grund, der zu erwähnen ist: Der von der ISIS gewählte Kriegsschauplatz umfasst zwei wichtige Verbündete Irans: Irak und Syrien. Der Verlust von auch nur einem der beiden Verbündeten wird den Sinkflug von Irans Status und Einfluss im internationalen Gefüge beschleunigen.

Der iranische Präsident Hassan Rouhani erklärte kürzlich in einer Pressekonferenz, Iran sei bereit, die Regierung des Irak im Kampf gegen den Terrorismus zu unterstützen. Aus verständlichen Gründen ist Iran nicht bereit, den Kampf mit den Terroristen an der Speerspitze zu führen. Aber Iran möchte gleichfalls nicht als Staat angesehen werden, der nicht bereit ist, seine natürliche Einflusssphäre zu schützen.

In den letzten zehn Jahren hat die Islamische Republik die Vereinigten Staaten beständig dazu aufgefordert, ihre Truppen aus dem Irak abzuziehen und die Verantwortung für die Wiederherstellung der regionalen Sicherheit und Stabilität den dortigen Staaten anzuvertrauen. Gegenwärtig ist Iran nicht bereit, eine erneute unilaterale Präsenz der Vereinigten Staaten im Irak zu akzeptieren, denn sobald amerikanische Truppen wieder einen Fuß in den Irak setzten, würde die Annahme bestärkt, dass in Abwesenheit der USA keine Regionalmacht im Nahen Osten die regionale Stabilität und Sicherheit gewährleisten kann. Man erinnert sich in der Islamischen Republik noch deutlich daran, wie ein ähnlicher Fehler der europäischen Staaten im Kosovo-Konflikt 1999 den USA dazu verhalf, ihren beanspruchten Status als "Weltpolizist" geltend zu machen. Iran wird sicherlich nicht den gleichen Fehler wiederholen. Stattdessen hat die Islamische Republik noch einen anderen Trumpf im Ärmel.

Ein sinnvoller und alternativer Ansatz wäre auf die offizielle Anfrage der irakischen Regierung hin die Einrichtung einer schnellen Eingreiftruppe durch die Nachbarstaaten des Irak, hauptsächlich durch Iran und die Türkei. Um dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen, könnte Iran die irakische Regierung darin bestärken, Iran offiziell um die Einrichtung dieser Truppe zu bitten. Der nächste Schritt wäre die Einberufung einer Konferenz der Nachbarstaaten des Irak, um diese Angelegenheit zu diskutieren. Und im letzten Schritt würde die Zusammenstellung der Truppen sowie ihre Ziele und ein Zeitplan für die Umsetzung des gemeinsamen Ziels, "die irakische Regierung beim Kampf gegen den Terrorismus zu unterstützen", festgelegt werden.

Wenn diese Initiative von allen irakischen Nachbarn akzeptiert würde, könnte Iran seine führende Rolle als wichtige Säule der regionalen Sicherheit ausspielen, um den Krieg gegen den Terrorismus in der Region voranzutreiben. Falls einige der Nachbarn des Irak diese Initiative ablehnen sollten, würden diese Staaten international isolierter dastehen. In beiden Fällen würde jedoch Irans konstruktive Rolle herausgestellt werden und das wäre ein bedeutender politischer Sieg für die Islamische Republik.


Diako Hosseini ist Nahost-Experte an der iranischen Denkfabrik Institute for Political and International Studies (IPIS).

Erstmals veröffentlicht am 18. Juni 2014 bei Iran-Review. Übersetzt von Ulrike Hintze.


Franco04-08-14

Iran muss irgendetwas Wesentliches richtiger machen als viele andere Staaten, Auch wenn das Land unter lähmenden Sanktionen leidet, ist das Land immer noch stabil und es bedenkt sehr stark die Konsequenzen, bevor es handelt.

Nun sieht sich das Land aber mit einer Bedrohung direkt vor der Haustür konfrontiert. Ich habe das Gefühl, dass Iran aus seiner Erfahrung gelernt hat und sich nicht schon wieder in einen Krieg reinziehen lassen will.

Wenn aber ISIS an Einfluss und Anhängern gewinnen sollte und möglicherweise Iran stärker ins Visier stellt, dann wird doch Iran keine Wahl haben, als sich in einen Krieg reinziehen zu lassen. Die Falken unter den US-Politikern würden sich da bestimmt freuen.

@Israel schaut bei ISIS nur zu?04-08-14

Ich verstehe immer noch nicht, wie Israel weiterhin Iran als die Super Bedrohung darstellt, weil er theoretisch vielleicht irgendwann die Möglichkeit hätte, Atomwaffen zu entwickeln, aber Israel vergleichsweise kaum etwas über ISIS sagt oder diesbezüglich handelt.

Dilemma04-08-14

"und auch im Falle eines Sieges wird Iran den Vergeltungsmaßnahmen der ISIL und ähnlicher terroristischer Gruppierungen ausgeliefert sein"

Muss Iran nicht befürchten, dass es für ISIS keinerlei Vergeltung bedarf um Iran früher oder später anzugreifen?

Dass der konfessionelle Hass durch ein zu aktives Eingreifen von Teheran noch mehr geschürt wird, ist wohl wahr. Es ist ein Dilemma, denn so muss Iran während der Bemühung, die oben genannten Maßnahmen umzusetzen, schlimmstenfalls zuschauen, wie ISIS an Anhänger, Macht und Einfluss gewinnt.

Arteri05-08-14

Iran kann so vorgehen, wie es in Syrien vorgegangen ist oder wie der Autor in diesem Artikel vorschlägt.





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