Schlüsseldokumente
- US-Studie: Mehrheit der Iraner für die Islamische Republik
- Interview mit dem ehemaligen deutschen Botschafter Bernd Erbel über Iran
- Geopolitische Lage im Nahen Osten erfordert einen Schwenk in Richtung Iran
- Energieabhängigkeit von Russland: Iran-Sanktionen rächen sich
- Religiöses Oberhaupt und Kosmopolit mit gesellschaftlicher Weitsicht: Wer ist Ayatollah Khamenei?
- Die Syrien-Krise, die Achse des Widerstands und das politische System Irans
- Zehn Wege, um Irans Handlungslogik zu verstehen
- Wie demokratisch ist die Präsidentschaftswahl in Iran?
- Iran als Schutzmacht der Christen im Nahen Osten?
- Befindet sich Iran auf dem Weg der Unabhängigkeit vom Öl?
- 20 Gründe: Warum Iran keine Atombombe will
- Staatsordnung Islamische Republik in Iran: Zwischen Prinzipialismus und Flexibilität
Newsletter
Hier können Sie unseren kostenlosen Newsletter bestellen. Eine Abmeldung ist jederzeit per E-Mail an unsubscribe@irananders.de möglich. Ihre E-Mail AdresseSuche
Wie weit bräuchte Iran wirklich für den Bau einer Atombombe?
Einer der wichtigsten und zugleich befremdlichsten Begriffe, der mit dem iranischen Atomprogramm verwendet wird, ist der Begriff "breakout capability". Die westlichen Staaten, darunter die USA, meinen damit den Punkt, nach dessen Überschreiten die Islamische Republik Iran nicht mehr an der Herstellung einer Atombombe gehindert werden kann. Diesen Punkt nennt man auch "point of no return", also ein Punkt, an dem eine Umkehr unmöglich ist.
Dieses Thema spielt bei den Atomgesprächen eine entscheidende Rolle. Der Westen behauptet, Iran sei von diesem Punkt nicht weit entfernt und darum sei es zwingend notwendig, zu verhindern, dass Iran diesen Punkt erreicht und dies sei absolut unverhandelbar. Doch eine grundsätzliche Frage lautet, wie weit Teheran wirklich von diesem Punkt entfernt ist. Diese Frage muss dringend beantwortet werden, um einen besseren Einblick in das iranische Atomprogramm zu erhalten.
Das religiös-politische Staatsoberhaupt Irans, Ayatollah Ali Khamenei, erklärte kürzlich im Zusammenhang mit den erforderlichen Kapazitäten des zivilen iranischen Nuklearprogramms, dass Teheran nach Einschätzung von Experten 190.000 SWU im Jahr (und nicht 190.000 Zentrifugen, wie westliche Medien fälschlicherweise behauptet haben) für den eigenen Bedarf benötigt. Diese Zahl gibt den Gesamtbedarf zur Versorgung des jährlichen Brennstoffs im Atomreaktor Buschehr innerhalb von 8 Jahren an, damit das Land nach dem Ablauf des Liefervertrages mit Russland den nötigen Brennstoff für diesen Reaktor, den Forschungsreaktor in Teheran und den Reaktor in Arak bereitstellen kann.
In einem vom US-Amerikanischen Institut für Wissenschaft und Internationale Sicherheit (ISIS) veröffentlichten Bericht, in dem die notwendigen Schritte in den nächsten 20 Jahren zur Lösung der iranischen Atomfrage aufgezählt wurden, gehörte dieses Thema zu den grundlegendsten Themen. US-Außenminister John Kerry bezifferte im April im Kongress die Zeit zum Erreichen des Punkts, an dem eine Umkehr für Iran unmöglich ist, mit zwei Monaten.
Die Islamische Republik Iran hat gemäß der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) 9.000 Zentrifugen verschiedener Bauarten im Betrieb, deren Technologie aus den siebziger Jahren stammt. Die Produktionsleistung jeder dieser Geräte beträgt zwischen 0,76 und 1,2 SWU im Jahr. Demzufolge hat Iran eine Produktionskapazität zwischen 6.860 und 10.800 SWU im Jahr. Darüber hinaus sind andere Zentrifugen, Anlagen und Geräte von Bedeutung, z.B. UFB-Geräte und Geräte zur Brennstoff-Herstellung aus dem Natur-Uran etc.. Iran besitzt jedoch keine Anlagen zur Umwandlung von UO2 und UFB. Das Land hat darüber hinaus keinerlei metalurgische Aktivitäten, z.B. zur Produktion des Uran-Metalls. Der wichtigere Punkt ist aber der, dass all diese Anlagen und Aktivitäten unter ständiger Kontrolle der IAEO stehen. Außerdem baut Iran gerade einen Schwerwasser-Forschungsreaktor. Dieser befindet sich in Arak und hat die Kapazität zur Produktion von 40 Megawatt Strom sowie nuklearmedizinischen Radioisotopen und kann auch zur Neutronenforschung verwendet werden. Die USA und seine Verbündeten sind der Überzeugung, dass dieser Reaktor in der Lage sei, das nötige Plutonium zur Herstellung von Atombomben zu produzieren.
Um den Zeitpunkt des „unumkehrbaren Punktes“ einzuschätzen, sind gewisse Schritte zu unternehmen. Zur Herstellung einer Atombombe gibt es zwei Möglichkeiten: a) mit Hilfe des Urans und b) mit Hilfe des Plutoniums.
a) Zur Herstellung einer Atombombe mit Uran braucht man - entgegen den von John Kerry behaupteten zwei Monaten - mindestens 36 Monate. Mit dem aktuellen Zustand der iranischen Anlagen nach dem Genfer Interimsabkommen benötigt Iran 18 Monate, um genügend Uran für eine Bombe anzureichern. Danach braucht Iran 12 weitere Monate für den Umwandlungsprozess und danach wieder sechs Monate für die Mischung und den letzten Schritt. Dazu benötigt Iran auch noch die passenden Träger- und Abschusssysteme, zu deren Entwicklungsdauer man keine genauen Angaben machen kann.
Aufgrund vorliegender Informationen verfügt Iran über das Know How zur Urananreicherung bis zu 90%. Aber momentan ist Teheran dazu nicht in der Lage, da die installierten Kaskaden für Urananreicherung auf 5% konstruiert worden sind, und für eine Anreicherung auf 90% sind neue Konstruktionen und Kombinationen erforderlich.
Für die Produktion einer Bombe benötigt man mindestens 25 kg angereichertes Uran, und man geht davon aus, dass Iran über 6.000 SWU besitze, könne also problemlos die Bombe bauen. Doch diese Einschätzungen sind außerordentlich optimistisch, weil das Erreichen dieses Niveaus für ein Land, das sich nuklear noch im Anfangsstadium befindet, in eine schnelle Zeit nicht möglich ist. Denn im Prozess der chemischen Herstellung und Umwandlung wird es viele Abfälle und Fehler geben, die auf Mangel an Erfahrung zurückzuführen sind, die nicht zulassen werden, dass der Bau einer Atomwaffe mit minimalem Material- und Zeitaufwand erfolgen wird. Ein Land wie Iran würde über 10.000 SWU benötigen, um Atomwaffen herstellen zu können, was zwischen 12 und 18 Monaten wäre und danach noch weitere sechs Monate für die Umgestaltung der Kaskaden voraussetzt.
Der Mindeszeitraum, den die Islamische Republik Iran für das Erreichen des „Punktes ohne Umkehr“ bräuchte, wären also 18 Monate. Doch in diesen 18 Monaten ist die IAEA in Iran präsent und alle iranischen Aktivitäten werden genau beobachtet. Die IAEA würde jegliche chemische Aktivitäten entdecken und darüber berichten. Nach solchen chemischen Prozessen folgen normalerweise metallurgische Prozesse, damit bestimmte Formen erreicht werden können. Für all diese Aktivitäten benötigt man Vakuumsanlagen zur Verhinderung der Uran-Oxidation. Mehrere Monate würde deren Vorbereitung dauern. Deswegen beträgt der erforderliche Zeitraum zur Umsetzung dieser Schritte 36 Monate, der unter bestimmten Umständen bis zu 42 Monaten dauern könnte. Für den Einsatz einer solchen Bombe wird darüber hinaus ein Sprengkopfsystem benötigt, das eine komplizierte Technologie voraussetzt, die Teheran momentan nicht hat.
Nach den oben erwähnten Ausführungen bräuchte Iran nicht Monate, sondern Jahre, um den „Punkt ohne Umkehr“ zu erreichen.
b) Die Entwicklung einer Plutoniumbombe ist noch komplizierter. Die Amerikaner haben behauptet, Iran benötige sechs Monate für die Entwicklung einer Plutoniumbombe. Dieser Behauptung gehen wir auf den Grund:
Plutonium ist kein natürliches Element und wird durch chemische Prozesse hergestellt. Jeder Atomreaktor, der Uran verbraucht, produziert Plutonium. Deswegen ist es unmöglich und unlogisch, die Plutoniumproduktion zu verbieten. Die beiden Reaktoren in Buschehr und Teheran sind unter vollständiger Kontrolle der IAEA. Die verbrannten Elemente aus dem Buschehr-Reaktor werden nach Russland transportiert. Und der Teheraner Reaktor ist dafür viel zu klein und steht unter der ständigen beobachtung der IAEA. Iran benötigt also einen anderen Reaktor, der momentan in Arak gebaut wird. Nach der Fertigstellung und Inbetriebnahme dieses Reaktors, dessen ursprüngliche Fertigstellung 2015 angegeben war, dauert es zwei Jahre, bis der Reaktor mit voller Kapazität arbeiten kann, um verbranntes Material zu produzieren. Und erst dann muss das Material zur Herstellung von Bomben gereinigt werden. Auch diese Materialien müssen - genauso wie Uran - in Metall umgewandelt werden, doch in ganz anderen Prozessen als bei Uran. Spezielle Anlagen namens „Heiße Zellen“ werden dazu benötigt, die Teheran nicht besitzt. Der Bau von solchen Anlagen dauert 4 bis 5 Jahre, deren Inbetriebnahme weitere 1 bis 2 Jahre. Jeder Versuch in diese Richtung würde sofort von der IAEO entdeckt werden. Iran benötigt also für den Bau von Atomwaffen in solchen Anlagen ungefähr 10 bis 12 Jahre, abgesehen von der Entwicklung der passenden Sprengköpfe, die wiederum Jahre veranschlagen würde.
Kurzum wird die Debatte über die “breakout capability“ bzw. über den “point of no return“ im Zusammenhang mit dem iranischen Atomprogramm erheblich überbewertet.
Schlüsseldokumente
- US-Studie: Mehrheit der Iraner für die Islamische Republik
- Interview mit dem ehemaligen deutschen Botschafter Bernd Erbel über Iran
- Geopolitische Lage im Nahen Osten erfordert einen Schwenk in Richtung Iran
- Energieabhängigkeit von Russland: Iran-Sanktionen rächen sich
- Religiöses Oberhaupt und Kosmopolit mit gesellschaftlicher Weitsicht: Wer ist Ayatollah Khamenei?
- Die Syrien-Krise, die Achse des Widerstands und das politische System Irans
- Zehn Wege, um Irans Handlungslogik zu verstehen
- Wie demokratisch ist die Präsidentschaftswahl in Iran?
- Iran als Schutzmacht der Christen im Nahen Osten?
- Befindet sich Iran auf dem Weg der Unabhängigkeit vom Öl?
- 20 Gründe: Warum Iran keine Atombombe will
- Staatsordnung Islamische Republik in Iran: Zwischen Prinzipialismus und Flexibilität
wenn israel in alle Richtungen ballert weil sie angeblich immer nur angegriffen werden weil sie nie etwas tun, so werden sie ganz nebenbei das AKW plattmachen so rein zur Vorsorge, gell?
Iran ist nicht so dumm wie Israhell und die anderen altmodischen Länder und will eine A-Waffe bauen. Sowas ist mit der Religion nicht vereinbar!
Grüsse und Erfolg wünsche ich aus Köln, danke
Ich habe auch schon andere Artikel auf dieser Seite zu diesem Thema gelesen und muss das nun einmal loswerden:
Vor wenigen Jahren noch las ich öfters mal diese Artikel, in denen von Urananreicherung gesprochen wurde. Das erste, was mir zu diesem Thema einfiel, ist die Atombombe. Das Problem ist: Die Details zum Atomprogramm kriegt man woanders oft nicht zu lesen bzw. kriegt man oft Details zu lesen, wenn das im Zusammenhang mit einem möglichen Bau einer Bombe steht. Wenn ich darüber nachdenke, wie lange es gedauert hat, bis darüber berichtet wurde, dass auf 20% angereichertes Uran für medizinische Zwecke benötigt wird, dann wundere ich mich schon. Ich wünschte nur, dass die Gegner des iranischen Atomprogrammes auf die Punkte in diesem Artikel und auch in anderen Artikeln endlich einmal eingehen würden, denn diese Punkte scheinen sehr plausibel und sie zu ignorieren, gibt mir als Leser doch nur die Bestätigung, dass das Thema politisiert wird und einige Politiker Iran einfach nicht seine Rechte zugestehen wollen.
Breakout capability (insbesondere nach dieser fachlichen Vertiefung) klingt für mich nicht so bedrohlich wie tausende Bomben zu besitzen und diese selbst mal eingesetzt zu haben.
Am Ende wird solange nach der möglichen Atombombe Irans gesucht, bis die halbe Welt von anderen Kräften niedergemetzelt wurde.
@Thorsten
wenigstens hätten wir dann noch die andere Hälfte der Welt: Isfahan.