28.10.2014 Michael Tockuss

Erstes Europäisch-Iranisches Forum bereitet sich auf Ende der Sanktionen vor


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Michael Tockuss, Geschäftsführer der Deutsch-Iranischen Handelskammer e.V., über die europäisch-iranischen Handelsbeziehungen und ihrer Aussichten.

Während immer noch nicht absehbar ist, wohin sich die Atomverhandlungen der G5+1 mit der Islamischen Republik Iran - und damit auch die scharfen unilateralen Sanktionen gegen Iran - bewegen, bereitet man sich in Teilen der westlichen Geschäftswelt schon auf den Tag X vor, an dem diese endgültig der Vergangenheit angehören könnten.

Ein untrügliches Signal in diese Richtung war dabei das von der in Brüssel ansässigen, exklusiven und renommierten englischsprachigen Wochenzeitung European Voice organisierte erste Europäisch-Iranische Forum in London, das am 15. und 16. Oktober 2014 stattfand und zu dem sich neben 200 vorwiegend aus der Wirtschaft stammenden Teilnehmern, die aus den USA, der EU und Iran kamen, auch zahlreiche prominente Gäste einfanden. Das Forum stand unter dem Motto „Vorbereitung von Investitionen und Handel für die Zeit nach den Sanktionen“.

Einer der Gäste war der frühere britische Außenminister Jack Straw, der ungewohnt scharfe Kritik an der Politik der USA und der EU übte und vor allem den europäischen Politikern Unfähigkeit vorwarf, die Islamische Republik als Regionalmacht anzuerkennen und die gemeinsamen Interessen zwischen Brüssel und Teheran zu erkennen.

Straw, der derzeit als Abgeordneter der Labour-Partei im Unterhaus sitzt, bezeichnete es in seiner Eröffnungsrede als wenig hilfreich, immer nur die Probleme in den Beziehungen zu dem Staat am Persischen Golf zu thematisieren und nicht die gemeinsamen Interessen zu erkennen. Nicht zuletzt deshalb würden auch die britischen Wirtschaftsinteressen in Iran geschädigt, während die US-Exporte in den vermeintlichen Schurkenstaat ansteigen. Ein Phänomen, dass immer wieder auch von deutschen Wirtschaftsleuten beobachtet und beklagt wird.

Straw: „Teilvereinbarung ist besser als gar keine“

Der frühere Außenminister gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass die derzeit stattfindenden Gespräche zwischen den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Weltsicherheitsrates, Deutschland und Iran bis zur Frist vom 24. November in eine endgültige Vereinbarung zur Klärung der Atomfrage münden würden, und er mahnte an, dass selbst eine Teilvereinbarung angesichts der neuen Herausforderungen in der Region – für die nicht zuletzt der Vormarsch der Terrormiliz IS steht - besser wäre als gar keine Vereinbarung.

Auch Sir Martine Sorrell, Gründer und CEO des weltgrößten Marketingkommunikationsunternehmen WPP, war ebenfalls Redner auf der Konferenz und setzte einen deutlichen Kontrapunkt. Sir Sorrell sagte klar, dass er in Iran erhebliche wirtschaftliche Chancen und Möglichkeiten sehe, sein Unternehmen aber Geschäftsaktivitäten in den USA habe und so sein Unternehmen erst im iranischen Markt tätig werde, wenn alle EU- und US-Sanktionen gegen Teheran aufgehoben werden würden.

Trotz Sanktionen ist gegenwärtiger Iran-Handel attraktiv geblieben

In zwölf Workshops und fünf Plenumsveranstaltungen ging es auf dem Forum sowohl um wirtschaftliche Chancen für einzelne Sektoren in Iran als auch um kulturelle Themen. Dabei machten Unternehmen wie die schweizer Investitionsgesellschaft Mistral deutlich, welche Möglichkeiten es schon heute im Bereich der erneuerbaren Energien in Iran gebe. Andreas Schweizer, Geschäftsführer der Gesellschaft, berichtete über drei Windenergie-Parks, die Mistral derzeit erfolgreich in Iran betreibe. Mohammad Reza Ansari, Chef des größten iranischen Bauunternehmens Kayson, schilderte in einer viel beachteten Rede die Infrastruktur-Projekte seines Unternehmens, die sich mittlerweile auch weit über Iran ausbreiteten.

Der Bereich Öl und Gas ist durch die bestehenden Sanktionen sehr hart getroffen und erlaubt deshalb für europäische Unternehmen nur in Einzelfällen Exporte. In einer außerordentlich detaillierten Diskussion präsentierten internationale Fachleute wie Elham Hassanzadeh vom Oxford Institute for Energy and Research aber die Chancen und Möglichkeiten, die sich für europäische Unternehmen nach einem Ende der Sanktionen ergeben können. So erfüllte die Veranstaltung auch das ausdrückliche Ziel der Veranstalter, sich über Handel und Investitionen in Iran nach einer Aufhebung der Sanktionen Gedanken zu machen.

Neben den Chancen, die der iranische Markt bietet, gab es aber auch eine sehr realistische Diskussion über die Punkte, die außerhalb der Sanktionen verändert werden müssen, um Iran zukünftig zu einem attraktiven Land für ausländische Investitionen zu machen. Teheran muss aufhören, die ausländischen Sanktionen als Ausrede für das Zögern bei notwendigen Wirtschaftreformen zu machen. Im Plenum zum Thema Investitionen wurden u. a. eine echte Privatisierung von Staatsunternehmen und eine Bekämpfung der Korruption als wichtige Aufgaben zur Steigerung der Investitionen gefordert.

Am Ende der zweitägigen Veranstaltung zog die große Mehrzahl der Teilnehmer ein positives Resümee des ersten EU-Iran-Forums. Die von anti-iranischen NGOs als PR-Veranstaltung Irans kritisierte Veranstaltung zeigte in vielen Aspekten eine ausgewogene und realistische Darstellung der wirtschaftlichen Beziehungen zu Iran und die Perspektiven für eine Zeit nach den Sanktionen.

Unter den Unterstützern der Veranstaltung befand sich auch die Deutsch-Iranische Handelskammer e.V..


Qwertz28-10-14

Michael Tockuss im Interview bei BBC Persia über das Forum in London: http://www.youtube.com/watch?v=sS8OjX6dIsk&index=24&list=UUHZk9MrT3DGWmVqdsj5y0EA

Andreas28-10-14

Sollten sich die Atomverhandlungen nicht in die richtige Richtung bewegen würde ich an Stelle der iranischen Regierung Rußland anbieten an der persischen Golfküste eine Marinebasis einzurichten. Allein die Andeutung dürfte Washington dazu bringen auf viele Detailforderungen Irans sofort einzugehen und das Kriegsbeil endgültig zu begraben.

TE28-10-14

@Andreas

Das wäre in Iran innenpolitisch nicht durchsetzbar. Die politische Elite und das Volk haben weiterhin ein sehr starkes Unabhängigkeitsempfinden, das nicht mit ausländischen Marinenstützpunkten - egal ob russisch, chinesisch oder amerikanisch - verträglich ist.

Andreas28-10-14

Keine Sorge, es würde nicht zu einem wirklichen Marinestützpunkt Rußlands kommen, allein die Ankündigung würde bei den Verhandlungen Wunder wirken. Manchmal kann eine Absichtserklärung mehr bewirken als eine Tat.

TE29-10-14

Allein die Ankündigung würde zu massiven innenpolitischen Reaktionen kommen und daher nicht möglich sein.

Andreas29-10-14

Es ist schade wenn man, aus welchen Gründen auch immer, auf leicht vorhandenes Potential die eigenen Ziele zu erreichen, verzichtet.

TE30-10-14

Politik ist komplex. ;)





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