31.07.2014 Andreas Lotter

Esfahan: Die Perle Irans


Meydan-e Emam Imam Maydane Maydan-e Meidane Meidan-e

Meydan-e Emam

Für jeden Besucher Irans ist die Stadt Esfahan die Perle, die man gesehen haben muss. Mein Zug aus Shiraz erreicht Esfahan leider erst kurz vor Mitternacht, und der Bahnhof wurde weit vor den Toren der Stadt errichtet. Vermutlich hofft man darauf, dass Esfahan sich einmal weit bis zum Bahnhof hin ausbreiten kann. Zum Glück habe ich hier eine Verabredung mit einem Einheimischen, der gerne bereit ist, mich auch noch zur später Stunde mit seinem PKW abzuholen.

Am nächsten Morgen vernehme ich das Glockengeläute einer Kirche. Moment mal! Wir sind hier doch in Iran, oder? Man klärt mich auf, dass wir hier im christlichen Viertel südlich des Flusses sind. Heute leben hier zwar auch Muslime, der Charakter des ganzen Viertels ist aber überwiegend armenisch-christlich geblieben.

Vor etwas mehr als 400 Jahren wählten die damaligen Herrscher Irans Isfahan zur Hauptstadt, weil es relativ zentral liegt - und damit nicht ohne Weiteres von außen angreifbar war. Um der neuen Hauptstadt zu einem schnellen Aufschwung und Blüte zu verhelfen, ließ der Herrscher viele Tausend Armenier, die im Norden seines Reiches - in Jolfa - lebten, nach Isfahan umsiedeln, weil Armenier im Ruf standen, gute Händler zu sein, und weil eine Stadt auf einen florierenden Handel angewiesen ist, um aufzustreben. Den Armeniern wurde eine ganze Vorstadt zugewiesen, und ihnen wurde eine komplette kulturelle und religiöse Autonomie zugesichert. Der neue Stadtteil wurde Jolfa-e Nouw (Neu-Jolfa) genannt, als Erinnerung an die alte Heimat. Und das Experiment funktioniert bis heute. Isfahan nahm einen unglaublichen Aufschwung und wurde zu einer der sagenumwobenen Städte des Orients an der Seidenstraße. Und das Zusammenleben christlicher Armenier und schiitischer Iraner klappt bis heute in bester Freundschaft.

Beim Bau der vielen Kirchen und vor allem der Vankkathedrale arbeiteten muslimische und christliche Handwerker zusammen, da diese Kirchen nach außen wie iranische Moscheen wirken, nur das oben auf der Kuppel eben ein Kreuz angebracht ist. Innen dagegen erblühen viele bunte Bilder mit Bibelmotiven. Es ist ein ungewohntes Gefühl, nach vielen Wochen, nun wieder in einer christlichen Umgebung zu stehen.

Der armenischen Kirche gehören in dieser Ecke der Stadt viele Grundstücke, darunter auch die trendigen Läden und Cafés am Meydan-e Jolfa. Der Meydan-e Jolfa ist heute eine angesagte Ecke der Stadt - auch für Muslime. Er strahlt im Schatten der Kirchen eine sehr europäische Atmosphäre aus, und alles Europäische steht derzeit hoch im Kurs. Die Cafés haben ihr Design von Starbucks geklaut, und man kann sogar Originalprodukte dieser amerikanischen Kette konsumieren. Jolfa-e Nouw ist ein lebendiger Beweis der tiefen Freundschaft zwischen Armenien und Iran. Wenn man in diesen Cafés einen Kaffee  trinkt und sich ein kleines Stück Kuchen genehmigt, dann vergisst man sehr schnell, sich in Iran zu befinden.

Um in den restlichen Teil der Stadt zu kommen, muss der Fluß nach Norden überquert werden. Hierzu sind schon vor langer Zeit unglaublich schöne und einzigartige Brücken entstanden, welche heute Teil des kulturellen Erbes sind. Doch wo ist der Fluß? Schon immer sank im Sommer der Pegel weit ab, aber seit zwei Jahren hat das Flußbett kein Wasser mehr gesehen. Das ist sehr schade, da die Brücken eigentlich nur im Wasser ihre volle Wirkung entfalten können. Es bestehen aber noch einige Hoffnungen seitens der Bevölkerung, dass das Wasser eines Tages wieder kommen wird. Insch’Allah, so Gott will. Heute treffen sich die Menschen der Stadt auch unter den Arkaden der Brücke, dort wo eigentlich das Wasser sein müsste. Es ergeben sich unglaublich viele Motive für den Photographen - durch die Arkaden, von oben, von unten, aus dem Flußbett auf die Brücke… Das alte Flußbett ist heute aber vor allem auf der Südseite in eine herrliche Parklandschaft eingerahmt. Hier flanieren viele Einheimische, gerade junge Leute. Oft nutzen die Einheimischen die Möglichkeit, hier Touristen in ein Gespräch zu verwickeln. Ganz besonders passiert dies auch seitens kleiner Gruppen junger Frauen (oder Mädchen). Daraus ensteht dann nicht nur ein interessanter Kulturaustausch. Telefonnummern und Emailadressen werden schnell und einfach ausgetauscht, manche Kontakte werden auch noch Wochen und Monate später gepflegt.

Nördlich des Flusses, im eigentlichen Esfahan, erwartet den Besucher die Sehenswürdigkeit der Stadt, ach was, des ganzen Landes, der Meydan-e Emam. Dieser vollendete rechteckige Platz mit seinen Arkaden und Wasserspielen wird von zwei Moscheen, dem Haupteingang zum Basar und dem Herrscherpalast, eingerahmt. Man sagt, wer diesen Platz kennt, hat die Hälfte der Welt gesehen. Dieser Teil der Stadt ist voll von historischen Bauten und Parkanlagen. Die Straßen sind meist sehr breit und verlaufen gerade, die Häuser wirken meist sehr modern und sind es häufig auch. Die historischen, überdachten Basaranlagen sind eng, verschlungen und verwinkelt. Es gibt kaum eine zweite iranische Stadt, welche auch heute noch voll von so vielen historischen Bauten ist.

Viele Touristen schwanken in ihrer Meinung, ob nun eher Isfahan oder eher Shiraz die schönste aller iranischen Städte ist. Shiraz sticht definitiv nicht durch sein schöneres oder historischeres Stadtbild, sondern durch ihre lockere und sehr offene Bevölkerung heraus. Isfahans Einwohner dagegen haben einen eher verklemmten und traditionellen Ruf. Hier wird der Islam ernster gehandhabt als im südlicheren Shiraz. Die tollste iranische Stadt wäre für westliche Besucher daher die Architektur Isfahans - mit den Menschen von Shiraz.

Ich besuche den Meydan-e Emam an einem Freitag, den traditionellen freien Tag der Arbeitswoche. Auch am Freitag, dem heiligen Tag, sind die vielen Läden, die wunderschöne iranische Souvenirs den Touristen anbieten, offen. Und an manchen Stellen, versteckt hinter den Arkaden, warten wundervolle Restaurants, in denen das alte Persien noch lebt. Hier kann man sich von den oft strapaziösen Besichtigungen erholen, da die meisten Attraktionen nur zu Fuß wirklich zu erleben sind. Und nicht unselten finden sich wieder interessante einheimische Gesprächspartner im Restaurant... Khosh amadid!


Andreas Lotter ist Reiseblogger und unternahm eine mehrwöchige Individualreise kreuz und quer durch Iran.


Dennis31-07-14

Nach meinem Aufenthalt in Iran konnte ich auch nur sehr schwer schlussfolgern, ob mir Shiraz oder Isfahan mehr zugesagt hat. Wirklich wunderschöne Städte.

Wirklich Schade, dass der Tourismus jetzt erst am Kommen ist, den vor Rohanis Amtsantritt gab es für den Touristen kaum einen Unterschied. Lediglich die mediale Darstellung hat viele Touristen abgeschreckt.

Marie-Luise01-08-14

Ja, Persien, diese 7000 Jahre alte Kulturnation, die Europa mehr beeinflusst haben soll als Griechenland. Persien wurde nie kolonisiert. Es ist von vielen Völkerstämmen, die jeweils die Macht übernahmen geprägt, Lebenslust, Toleranz, Liberalität und Literatur gab es schon sehr früh, was heute noch aktuell ist. Mit Griechischer Philosophie beschäftigten sich Intellektuelle. Das Reich erstreckte sich über den Kaukasus, Afghanistan, Indien bis Bagdad , wo man auch heute noch die Sprache 'Farsi' spricht. - Ich las vor kurzum 'Spiegel Geschichte': Persien: Supermacht der Antike, Gottesstaat der Mullahs. Heft 2, 2010, und noch zu haben. Diese Lektüre ist so interessant, man bekommt einen ganz anderen Blick auf den Iran. Das wäre für die Politik, die Politiker sehr wichtig: Dieses Land entsprechend zu würdigen. -Ich möchte 2 Verse zitieren, die mir sehr gefallen: 1) "Die Menschenkinder sind ja alle Brüder, Aus einem Stoff wie eines Leibes Glieder; hat Krankheit nur einzig Glied erfasst, so bleibt anderen weder Ruh noch Rast. Wenn anderer Schmerz dich nicht im Herzen brennt, verdienst du nicht, dass man noch Mensch dich nennt." (Saadi, um 1200). Dieser Vers steht auf dem Portal des UNO-Gebäudes in NY. 2. Vers, schon nach Allahs Ankunft :" Es heißt, es werde ein Paradies und Huris geben, dort werde es Wein, Milch und Honig geben; wenn wir bereits den Geliebten und den Wein gewählt haben, was macht das schon, am Ende wird es doch dasselbe geben!" Von Omar Chajjam. - Grüße von M.-L.

Nomade04-08-14

Ich hoffe, dass Shiraz auch ein eigener Artikel gewidmet wird. Die Stadt der Poeten (hier liegen die Gräber der bekannten Dichter Hafiz und Saadi) hätte das sicherlich verdient, sei es wegen der wunderschönen Moscheen wie z.B. Shah Cheragh, der Karim Khan- Zitadelle oder den Gärten in Shiraz, die meines Erachtens nicht weniger prachtvoll sind als die in Isfahan. Außerdem ist Takthe-Jamshid, bei uns besser bekannt als Persepolis, nicht unweit von Shiraz.

In Iran sagt man "Isfahan - Nesf-E-Jahan": Isfahan ist die halbe Welt. Für mich ist Shiraz die andere Hälfte der Welt.

Yvi04-08-14

Ich habe schon so oft überlegt in den Iran zu reisen, aber dann höre ich immer wieder von Freunden, wie gefährlich das doch sein muss als Frau im Iran. Andererseits habe ich oft genau das Gegenteil gehört. Bekannte von mir, die auch noch aus England stammen, schwärmen ständig von dem Land und die sagen mir immer, dass es dort so sicher sei und die Menschen dort so gastfreundlich sind. Das macht mich alles schon neugierig.

Isfahan würde jedenfalls sicher zusammen mit Teheran in der Liste stehen, falls ich mich im kommenden Frühling dafür entscheide.

@Yvi04-08-14

Über Iran wurde ja in den letzten Jahren sehr einseitig berichtet. Mittlerweile ist das wenigstens ein bisschen besser geworden. Ich würde dir empfehlen, ein paar Auszüge von Helena Hennekens Buch über Iran zu lesen. Sie war ganz alleine in Iran und bestätigt, dass "Irananders" ist. Auch Spiegel-Online hat sie hierzu interviewt.

Andreas05-08-14

@Yvi Falls du es willst nimmt über die Links am Ende des Artikels Kontakt zu mir auf, meine Mailadressen sind dort hinterlegt. Ich kann dir vielleicht behilflich sein wenn du nächstes Jahr den Iran besuchen willst - und du müßtest es dann auch nicht allein tun.





* Bitte haben Sie Verständnis, dass die Redaktion Beiträge editiert oder nicht freigibt mit dem Ziel einen moralischen Austausch zu gewährleisten.