16.07.2014 Hamid Babaei

Die iranische Volksmodschahedin: Großes Geld kauft mächtige Freunde


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Politische Persönlichkeiten aus den Vereinigten Staaten und Europa bei einer Massenversammlung der Volksmodschahedin (MEK) in Paris am 27. Juni 2014.

Was macht es so attraktiv für Newt Gingrich, Joe Lieberman und Patrick Kennedy, mit Mitgliedern einer terroristischen Sekte abzuhängen?

Am 27. Juni sind einige sehr bekannte politische Persönlichkeiten der amerikanischen Politik zu Gunsten einer anti-iranischen Gruppe aufgetreten, die bis vor kurzem von den USA und Europa noch offiziell als „terroristische Organisation“ geführt worden war. Unter den Gästen waren Howard Dean, John R. Bolton, Bill Richardson, Newt Gingrich, der frühere Abgeordnete des Repräsentantenhauses, Patrick Kennedy, und Joseph I. Lieberman. Ihr Auftritt und ihre Unterstützung für die Volksmodschahedin (MEK) [pers. Modschahedin-e Chalgh, andere Abk. MKO und PMoI, Anm. d. Red.] als iranische „Oppositionsgruppe“, zeigt ihre Ahnungslosigkeit zum Thema Iran. Wirft man einen Blick auf die Geschichte der Gruppe, könnte man ihre Popularität in Iran in etwa mit jener eines amerikanisch geführten Ablegers von Al-Qaida vergleichen.

Unter den zahlreichen Opfern des Terrors der MEK befinden sich unschuldige iranische Zivilisten ebenso wie Bürger westlicher Staaten inklusive der USA. Ihre gewalttätige Geschichte, sektenartige Natur und die Unterdrückung ihrer eigenen Mitglieder haben mittlerweile eine Tradition von fast vier Jahrzehnten. Sie unterstützte Saddam Husseins Regime in den 80er Jahre und ihre Führer prahlten damit, tausende Iraner getötet zu haben, während die Sekte den expansionistischen Ambitionen des damaligen irakischen Diktators diente. Die Reichweite ihrer Verbrechen gegen die Völker des Irak und Iran ist beeindruckend, und dennoch scheinen manche westlichen Länder nicht gewillt zu sein, ähnlich ernsthafte Restriktionen gegenüber den MEK zu verhängen, wie dies in Bezug auf andere terroristische Gruppen der Fall ist.

Es wird auch berichtet, dass einige in der außenpolitischen Community der USA durchaus ein Problem mit dem Gedanken haben, diese Gruppe könnte eine mögliche Rolle in der künftigen Außenpolitik gegenüber Iran haben. Man muss sich aber fragen, welchen Zustand der Verwirrung die amerikanische Außenpolitik befallen hat, wenn eine solche Gruppe überhaupt auch nur als potenzieller Teil einer Lösung für ihre außenpolitischen gordischen Knoten im Nahen Osten gesehen wird.

State Department: „Attacken gegen eindeutig zivile Ziele“

Einige US-Politiker, die die MEK unterstützen, behaupten, die gegen diese Gruppe erhobenen Vorwürfe wären lediglich Behauptungen ihrer Gegner in Teheran. Dabei haben aber ganze Kohorten von Journalisten, Regierungsstellen und Think Tanks aus aller Welt deren Praktiken katalogisiert. Das US-Außenministerium erklärte, dass die MEK „verantwortlich für gewalttätige Attacken in Iran mit zivilen Opfern“ ist und dabei „Attacken gegen eindeutig zivile Ziele“ darunter waren. Unter Verweis darauf, dass die MEK „sich an Saddam Husseins brutaler Niederschlagung des kurdischen Aufstandes“ 1991 beteiligt hatte, bezeichnet das Außenministerium die Gruppe als „repressive Sekte, die von den meisten Iranern und Irakern abgrundtief verachtet wird“. Und das ist auch der Grund, warum das irakische Volk, besonders Kurden und Schiiten, diese Gruppe so sehr verachten – nicht iranischer politischer Einfluss, wie manche glauben machen wollen.

Die in den USA sitzende Menschenrechtsgruppe “Human Rights Watch” (HRW) hat die Unterdrückung der eigenen Mitglieder seitens der MEK dokumentiert. So verlangt die MEK von diesen, sich von ihren Ehegatten zu trennen und von „allen physischen und emotionalen Verbindungen, um ihre ‚Kapazitäten für den Kampf’ zu verbessern“. HRW weist ebenso darauf hin, dass die MEK-Mitglieder Behandlungen ausgesetzt werden, die von „Isolationshaft über Schläge, verbale und psychische Misshandlung, erzwungene Geständnisse, Hinrichtungsdrohungen bis hin zu Folter reichen, die zu zwei Todesfällen geführt hat“.

Kürzlich verurteilte das französische Außenministerium die „gewalttätigen und undemokratischen Fundamente“ der MEK, ihre „sektierische Natur“ und ihre „intensive Kampagne der Einflussnahme und Desinformation“.

US-Offizielle hatten die MEK von der Liste der Terrorgruppen entfernt, weil diese aus ihrer Sicht „öffentlich der Gewalt abgeschworen“ habe. Aber die dahinter stehende Erklärung der Gruppe enthielt unter anderem schon die Behauptung, man habe selbst nie Zivilisten als Ziel genommen – eine Behauptung, der das US-Außenministerium klar widersprochen hat.

„Gewaltverzicht“ war reine Taktik

Nach den Attacken vom 11. September wurde der MEK klar, dass ihr Schicksal in den Händen des Westens liegen würde und sie sich deshalb nicht mehr länger auf ihren bisherigen Förderer Saddam Hussein verlassen könnte. Der 2001 gefällte Beschluss, die Waffen niederzulegen und keine Zivilisten mehr zu töten, war kein Resultat einer moralischen Erleuchtung, sondern eine taktische Entscheidung, die jederzeit auch wieder umgeworfen werden kann, wenn sich die zuvor erwähnten strategischen Begebenheiten ändern sollten.

Vielmehr gab das US-Außenministerium 2009 im Zuge eines Gerichtsprozesses Informationen frei, wonach die MEK Personen darin ausgebildet hatte, “Selbstmordattentate zu begehen”, und ein freigegebener FBI-Bericht aus dem Jahre 2004 stellt in ähnlicher Weise fest, dass MEK-Zellen weltweit „aktiv... Terrorakte planen und ausführen“. Was am bemerkenswertesten ist: Kein Mitglied der Gruppe wurde je durch jene westlichen Staaten, bei denen sie Schutz finden, zur Rechenschaft gezogen.

Stattdessen haben Washingtons Lobbyisten und frühere US-Politiker und Offizielle Millionen Dollars von der Gruppe als Wahlkampfspenden oder Rednerhonorare erhalten – die genauen Summen wollen die meisten nicht öffentlich bekannt geben – und im Gegenzug haben diese öffentlich die MEK unterstützt und behauptet, es handle sich bei ihr um eine Oppositionsgruppe, die den Schutz durch die USA verdient hätte. Mittels dieser Taktik, welche sogar die Rand Corporation als „sektierische Praktiken und ihre täuschende Rekrutierung“ bezeichnete, hat es die Gruppe geschafft, von der Terrorliste gestrichen zu werden.

„Our Sons-of-a-Bitch“-Ansatz ist Gift im Kampf gegen den Terror

Die Doppelmoral im Zusammenhang mit dem Umgang mit dem Terrorismus ist heute wahrscheinlich die größte Bedrohung für die internationalen Bemühungen zu dessen Bekämpfung. Wenn Politiker selektiv und beliebig eine Terrorgruppe bekämpfen, eine andere jedoch auf der Grundlage ihrer möglichen geopolitischen Nützlichkeit unterstützen, hätten sehr viele Nationen sehr viele Gründe, um die verschiedensten terroristischen Gruppen zu unterstützen. Wenn man Terror bekämpft, ist das Streben nach moralischer Konsistenz aber keine mögliche Option oder lästige Angelegenheit - sie muss als zwingende Notwendigkeit betrachtet werden.

Es bleibt unklar, warum eine Organisation mit einer derartig gewalttätigen Geschichte so frei in vielen westlichen Ländern wirken kann, Geld sammelt, Institutionen aufbaut und am Ende die Erlaubnis bekommt, in mehrere Millionen schwere politische Kampagnen involviert zu werden. Man stelle sich vor, al-Qaida oder Boko Haram hätten die gleichen Freiräume.

Das Prinzip der Vermeidung von Straflosigkeit erfordert, dass Terrorakte nicht ohne rechtliche Konsequenzen bleiben dürfen und die Verantwortlichen der Gerechtigkeit zugeführt werden müssen. Die vielen Opfer der MEK - die Getöteten, Verwundeten und ihre Familien- verdienen Gerechtigkeit und die Achtung jener Prinzipien, von denen westliche Nationen im Zusammenhang mit dem sogenannten Krieg gegen den Terror behaupten, sie würden sich so kompromisslos zu ihnen bekennen und die sie doch tatsächlich täglich mit Füßen treten, wenn sie Terroristen beherbergen, statt zu ihrer Verfolgung beizutragen.


Hamid Babaei ist Botschaftsrat und Pressesprecher der Ständigen Vertretung der Islamischen Republik Iran bei den Vereinten Nationen.

Erstmals veröffentlicht am 10. Juli 2014 bei USA Today. Übersetzt von Ali Özkök.


Martin25-07-14

Irananders gefällt mir, weil hier weniger Wert auf Dramatisierung und mehr Wert auf Differenzierung gelegt wird, aber in diesem Artikel ist es wohl doch ziemlich hart formuliert, wenn man von einer "terroristischen Sekte" spricht. Ich distanziere mich natürlich ganz klar von den Volksmodschaheddin, aber solche Formulierungen sind doch auch nicht ganz neutral.

Martin25-07-14

Wieso bezeichnen sie z.B. nicht Hisbollah als eine terroristische Sekte?

Damian25-07-14

Das habe ich mich auch in dem Moment gefragt, als ich den ersten Satz gelesen habe. Dann muss man natürlich aber erst weiter lesen. :)

Terroristisch ist hier nicht falsch. Es besteht ein Konsens darüber, dass
die Volksmodschaheddin klar und nachweislich in terroristischen Aktivitäten involviert gewesen sind, und das ist eben nicht bloß die iranische Perspektive, sondern auch die westliche. Die Volksmodschaheddin waren in westlichen Terrorlisten aufgelistet und (das steht auch im Artikel) selbst das US-Außenministerium und das französische Außenministerium bezeichnete die Volksmodschaheddin als Sekte.

Wenn man auch verlangt, sich von Ehegatten zu trennen und von Emotionen wegzubleiben, dann ist das nichts anderes als sektenartig.

Und die Volksmodschaheddin kann man nun wirklich nicht mit Hezbollah vergleichen, weil:

1. Hezbollah wurde in Zeiten auf die EU-Terrorliste gesetzt, als sie Gewinne in Syrien erzielen konnten, weil sie in der Vergangenheit angeblich in einem Anschlag in Bulgarien verwickelt gewesen sein sollen. Das Timing zeigt, wie das ganze politisiert wurde. Viel wichtiger aber: Dass Hezbollah für diesen Anschlag verantwortlich waren, wurde aber bis heute nie nachgewiesen. Bei den Volksmodschaheddin wurde genügend nachgewiesen, und das nicht bloß aus iranischer oder libanesischer Seite.

2. Selbst die bulgarische Regierung zweifelt an eine Involvierung der Hezbollah in Bulgarien und distanzierte sich von diesen Vorwürfen. Die Volksmojaheddin wurde sowohl von westlicher als auch von iranischer Seite als terroristisch eingestuft.

3. Hezbollah ist gemäß libanesischer Verfassung und gemäß Völkerrecht dazu berechtigt, Widerstand gegen Besatzer zu leisten. Ein Angriff auf israelische Militärbasen ist somit keineswegs ein terroristischer Akt.





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