29.03.2014 Shakib Mohammad-Gou

Energieabhängigkeit von Russland: Iran-Sanktionen rächen sich


Nabucco-Pipeline Potentiale Möglichkeiten Vergleich Nord-Stream Norwegen Gas Lieferung

Die Potentiale der Nabucco-Pipleine im Vergleich.

Noch bis zu den letzten Tagen im Jahre 2013 hatte kaum ein Experte prognostiziert, dass der nächste weltumspannende Konflikt im Jahr 2014 zwischen Russland einerseits und der Europäischen Union (EU), NATO und G7 andererseits ausgetragen werden würde. Der Ton hat sich bereits so weit verschärft, dass sich die Konfliktparteien gegenseitig drohen und ihre Druckmittel der Gegenseite präsentieren.

Russland kommt in diesem speziellen Konflikt eine Trumpfkarte zugute: der Energiehunger der EU und die Energieabhängigkeit von Russland. Aufgrund des Mangels an natürlichen Ressourcen in den meisten westeuropäischen Staaten und des gleichzeitigen hohen Energiebedarfs, bedingt durch die hohe Industrialisierung, sind die europäischen Staaten massiv von fossilen Energieträgern der Russischen Föderation abhängig und können daher kaum Russland ernsthaft sanktionieren. Die Erdgasabhängigkeit der EU-Staaten von Russland ist unterschiedlich. Einige Länder sind mit bis zu 90% und andere mit bis zu einem Viertel von russischen Gaslieferungen abhängig. Deutschland selbst bezieht zu etwa 39 Prozent seines Gases von Russland. Damit ist das Land der Gashauptlieferant für die Bundesrepublik Deutschland.

Zwar ist Russland neben der Islamischen Republik Iran das Land mit den größten Erdgasreserven der Welt, doch auch Iran wäre geographisch - in puncto Reserven und Stabilität seiner staatlichen Strukturen - in den fast letzten vier Jahrzehnten durchaus in der Lage gewesen, diesen Bedarf mit abzudecken. Die EU und vorrangig Deutschland haben sich jedoch komplett abhängig von Moskau gemacht. Wie kam es dazu?

Zum Anfang der Jahrtausendwende wurde das Nord-Stream-Projekt thematisiert. Es sollte den Erdgasbedarf der EU decken und durch eine direkte Erdgasleitung durch die Ostsee von Russland nach Deutschland realisiert werden. Die damalige deutsche Regierung setzte dieses Projekt mit höchster Priorität auf die Agenda und unterzeichnete schließlich eine entsprechende Absichtserklärung für die Errichtung der Pipeline im Jahr 2005. Doch bereits kurz danach wurde klar, was die Abhängigkeit vom russischen Gas bedeuten könnte: Der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland im gleichen Jahr führte vor Augen, was der Kreml im Fall der Fälle machen könnte, nämlich den Gashahn zudrehen. Somit entstanden erstmals Bedenken, die die Abhängigkeit vom russischen Gas durch die fast 1.300 km lange Ostsee-Pipeline in Frage stellte.

Man begann daher parallele Routen für eine Erdgas-Pipeline mit gänzlich anderer Quelle als Russland zu entwerfen: Erdgas aus dem zentral- und vorderasiatischen Raum, vom Kaspischen Meer und vor allem aus Iran. Die österreichische OMV untersuchte unter dem Projektnamen "Nabucco" ursprünglich eine über 3.900 Kilometer lange Pipeline nach Österreich  und von da weiter nach Westeuropa.

Sie sollte den europäischen Energiemarkt diversifizieren. Doch das Projekt wurde mehrfach umgeplant und der Baubeginn mehrfach verschoben, vielschichtige politische Interessen erschwerten die Realisierung des Projekts, bis schließlich Mitte 2013 das Projekt aufgegeben wurde.

Paradoxerweise waren die Gegner von Nabucco aber nicht nur die Russische Förderation, sondern auch andere westliche Staaten. Denn nach Wunsch vom österreichischen Energieriesen OMV sollte die Pipeline, bedingt durch die Kapazitätsengpässe und den ständig wachsenden Energiebedarf, nicht nur bis in das aserbaidschanischen Shah Deniz II-Gasfeld führen, sondern auch turkmenisches, irakisches und vor allem iranischen Gas vom größten Gasfeld der Welt in South-Pars nach Europa bringen. Das South-Pars-Gasfeld inklusive des katarischen Nord-Felds ist das größte Gasfeld der Welt.

Insider sagen heute, dass das Projekt für OMV nur Sinn gemacht hätte, wenn man auf die Erdgasreserven Irans im South Pars hätte zugreifen können. Doch dies scheiterte - trotz mehrfachen Anfragen des Unternehmens - an den euopäischen Regierungen, die Iran aufgrund seines Atomprogramms sanktioniert hatten, obwohl die iranischen Pipelines bis in die Türkei bereits vorhanden gewesen sind und sich damit enorme Investitionen erübrigt hätten.

Kurz nach der angekündigten befristeten Lockerung der Sanktionen des Westens gegen Teheran Ende letzten Jahres wurde bekannt, dass OMV wieder direkte Gespräche mit dem National Iranian Oil-Company, dem staatlichen Eigentümer von South-Pars, aufgenommen hat. Experten gehen davon aus, dass bei einer langfristigen Einigung des Westens und vor allem der USA mit der Islamischen Republik das Nabucco-Projekt wieder aktuell werden könnte und zur Energiediversität der Europäischen Union (EU) wesentlich beitragen kann.

Die Krim-Krise könnte der Anfang eines Prozesses sein, der die EU zum Umdenken bei der Wahrung seiner ureigenen Interessen zwingen könnte, und in diesem Zusammenhang kann Teheran eine entscheidende Rolle einnehmen. Andernfalls bleibt die EU ein zahnloser Tiger gegenüber Moskau.


Le Mec29-03-14

"...und gegenüber Washington" fehlt als Ergänzung zum letzten Satz im Artikel.

Durch den Bruch mit Russland bringt sich die EU nämlich in eine enorme Abhängigkeit von den USA. Diese haben mit ihrem Schiefergase bis auf Weiteres nämlich ausgesorgt und können auch Teile davon verflüssigt nach Europa exportieren. Jedoch nicht in einem solchen Umfang, dass es das russische Gas ausgleichen könnte. Deshalb handelt es sich meiner Meinung nach hier um eine vergleichsweise kleine Verschiebung der Abhängigkeit der Europäer in Richtung Washington. Und letztere neigen eher dazu ihre Macht als Druckmittel zu verwenden als die Russen.

Hamid30-03-14

Mag sein, dass Sanktionen auch dem Westen schaden, aber die Sanktionen haben das menschenverachtende und islamophile Regime der Mullsahs sehr geschwächt. [...]*

*MODERATION: Bitte bleiben Sie beim Thema des Artikels. Danke sehr.

siglinde31-03-14

Mir scheint es einfach so, dass all diese Krisen gemacht werden, um Europa von bestimmten Handelspartnern zu abzutrennen und das Ganze von den USA so gewollt ist.

Denn wenn man nachdenkt und mal nicht auf die Propagandamaschinerie des Westens hört, gibt es kaum vernünftige Gründe solche Krisen zu schüren, oder aufrecht zu halten.

Die dummen US hörigen Europäer.

TE04-04-14

@Hamid

Sanktionen sind ein Verlustgeschäft für alle. Aber meines Erachtens haben die Sanktionen den Westen strategisch weit mehr geschadet als dem Iran - der trotz der Sanktionen sich zum Regionalmacht etabliert hat.

In diesem Zusammenhang ist folgende Analyse auch interessant: http://irananders.de/nachricht/detail/714.html

daniel22-04-14

Sanktionen sind ein Verlustgeschäft für alle. Aber auch meines Erachtens haben die Sanktionen den Westen besonders DEUTSCHLAND strategisch weit mehr geschadet als dem Iran - der trotz der Sanktionen sich zum Regionalmacht etabliert hat dieses land ist nicht saudi Arabien wo Frauen nicht auto fahren dürfen und man für Bibel oder budda ins Gefängnis gehen muss.

schade Deutschland hoffe wir bikommen doch die kurve GEMEINSAM

Lutz10-08-14

Wem nützt es, wenn die EU (als das Tigerfell vor dem Bett des Weißen Hauses) als Raubtier oder mit allseits schädlichen Sanktionen gegenüber Russland (wie beides hier beschrieben) missbraucht wird ? Für Europa, die Iranische und Russische Republik, auch für China, die Ukraine, die Türkei und viele Nachbarn ist eine gerechte Währung mit Kreditierung, wie auch die wirtschaftliche und verkehrstechnische Zusammenarbeit hilfreich - nicht permanente US-Reglementierung. Gegen imperialen Machtansprüche aus Übersee, die unser aller Feindschaft benötigt, Konfliktherde vor unserer Haustür fördert und unseren Untergang in Kauf nimmt bzw. im Fall Russland und Chinas seit Langem anstrebt, helfen wohl nur unsere baldige Erkenntnis und Zusammenarbeit. Lesen Sie bitte vom Insider Chalmers Johnson "Der Untergang der amerikanischen Demokratie" und befassen Sie sich mit den BRICS-Staaten und der künftigen "Weltlandbrücke", die den Frieden fördern wird.





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