20.02.2014 Ali Hashem

Iran ändert seine Palästina-Strategie


Jibril Rajoub, stellvertretender Generalsekretär des Zentralkomitees der Fatah, in Teheran beim iranischen Außenminister Mohammad Javad Zarif

Fatahs Jibril Rajoub in Teheran beim iranischen Außenminister Mohammad Javad Zarif.

Seit Jahren bestanden die Beziehungen zwischen Iran und den Palästinenser-Fraktionen hauptsächlich aus Verbindungen mit der Hamas, dem Islamischen Jihad und bedingt mit Ahmad Jibrils Zweig der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP). Jahrelang verblieb es bei jener Situation, bis Jibril Rajoub, stellvertretender Generalsekretär des Zentralkomitees der Fatah und ehemaliger Chef der präventiven Sicherheitskraft der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), am 28. Januar in Teheran – zur Überraschung vieler - zu Besuch erschien, um iranische Offizielle zu treffen.

Irans Revolutionäre und die Fatah genossen starke Beziehungen vor und während der Revolution, aber nach dem Sturz des Shahs und der Bildung der neuen Islamischen Republik Iran begannen sich die Dinge zu ändern. Innerhalb von ein bis zwei Jahren zog die Allianz, die Männer wie Mustafa Chamran, den getöteten iranischen Verteidigungsminister und Abu Jihad, ein Fatah-Funktionär, der ebenfalls später ermordet wurde, zusammenbrachte, mit den regionalen Entwicklungen mit. Nur wenige Fatah-Führer sind seitdem nach Iran gekommen, doch wenige Jahre später tauchten der Islamische Jihad und die Hamas als Irans „adoptierte Söhne“ in Palästina auf.

Bis zum 15. März 2011 bildeten Iran, Syrien, die Hisbollah, Hamas und der Islamische Jihad die Widerstandsfront [in erster Linie gegen Israel]* in der Region. Das Politbüro der Hamas und sein Kopf Khaled Meshaal hatten ihren Sitz in Damaskus, ebenso der Generalsekretär des Islamischen Jihad, Ramadan Shallah. Nach dem Beginn der Revolution in Syrien änderten sich die Dinge nach und nach; die Hamas versuchte anfangs zwischen dem Regime Bashar al-Assads und der Opposition – allen voran der syrischen Muslimbrüderschaft- zu vermitteln. Als jedoch die Schlichtung scheiterte, hat die Hamas sich selbst als ein Mitglied wieder gefunden, die die Achse des Widerstandes in Stich lässt. Die Beziehungen zu Iran kühlten anschließend ab, obwohl das Büro der Hamas in Teheran weiter arbeitet. Besuche von Funktionären der Hamas in der iranischen Hauptstadt haben nicht aufgehört, auch wenn sie über die Zeit rarer wurden.

Der Islamische Jihad distanzierte sich von der syrischen Krise und forderte alle Parteien auf, ihre Probleme durch Dialog zu lösen. Funktionäre des Islamischen Jihad vereinbarten, auch wenn kein Konsens [von der Widerstandsfront] über die Situation in Syrien herrscht, dass der Widerstand [gegen Israel] Priorität hat und der Islamische Jihad sich nicht in die syrische Krise einmischen will. Shallah ist eindeutig, was Iran angeht. Ein berühmter Vorfall ereignete sich in Kairo zwischen ihm und Meshaal inmitten des Gaza-Krieges 2012. Shallah dankte Iran, und Meshaal zögerte, so ein führender arabischer Journalist, der beide Männer traf. Shallah warnte Meshaal, er habe Iran für seine Unterstützung zu danken, ansonsten werde er nicht [auf der gemeinsamen Pressekonferenz] reden.

Zurück in Teheran, der Besuch von Rajoub geschah nicht bloß zum Vergnügen. Nach gut informierten Quellen kam er nach Teheran, um den Iranern zu erklären, dass die Fatah bereit sei, ihr starker Partner in Palästina zu sein. Die Quelle, ein anderer palästinensischer Funktionär, betonte in einem Interview mit Al-Monitor, dass die Fatah nichts dagegen hat, an  iranischer Seite zusammen mit anderen palästinensischen Gruppen wie die Hamas und der Islamische Jihad zu stehen – als echte Partner und nicht als Ersatz für eine andere Fraktion. Hinter der Bühne hörte man ebenfalls, dass die Fatah eine positive Nachricht von der Hamas bekommen hat, aber es gab keine Bestätigungen, ob die Nachricht von den Iranern befördert wurde.

In einem Interview mit Al-Monitor vom 8. Februar sagte Rajoub deutlich, dass alle Optionen auf dem Tisch lägen, und er rief dazu auf, dass die palästinensischen Fraktionen „kommen und sich auf eine Widerstandsstrategie einigen sollen – eine Strategie an die internationale Gemeinschaft, die sich dem Staat gebunden fühlt, und einen Widerstand, den alle unsere Menschen annehmen und an ihm teilhaben können, (einen,) den die gesamte Region befürworten und unterstützen kann“.

Ein paar Tage nach der Abreise Rajoubs, kam eine Delegation des Islamischen Jihad nach Teheran, Asmaa al-Ghoul von Al-Monitor legte diesen Besuch genauer dar. Die Delegation, geführt von Shallah, der Teheran häufig besucht, traf iranische Offizielle und diskutierte die interne palästinensische Krise mit ihnen.

Ein hochrangiger iranischer Offizieller sagte gegenüber Al-Monitor, Iran beginnt eine neue Strategie in Palästina, ähnlich der vorherigen, aber in gewisser Hinsicht anders. „Früher hatte Iran zwei oder drei Verbündete. Heute will Iran alle palästinensischen Fraktionen als ihre Verbündeten, trotz der Tatsache, dass sie Säkularisten oder Islamisten sind. Es spielt eigentlich keine Rolle. Was zählt ist, dass die Sache Palästinas wieder zur Hauptsache der Leute wird, auf die sie sich konzentrieren.“

Der Offizielle erklärte, dass das, was im Jahr 2007 geschah – als die Hamas die Fatah aus dem Gaza-Streifen vertrieb – sich nicht wiederholen werde. „Die Hamas ist ein Teil unseres Blocks. Es mag sein, dass sie einige Fehlkalkulationen machten, aber dies hat nichts mit unserem Widerstand und unserer vollen Unterstützung zu tun.“ Er fügte hinzu: „Als Herr Rajoub hier war, sagten wir ihm klar, dass Iran die Verhandlungen mit Israel als komplette Zeitverschwendung betrachtet, aufgrund der israelischen Arroganz, der negativen Rolle der USA und der Entscheidung der arabischen Staaten, keine Unterstützung zu leisten. Weder die Zwei-Staaten-Lösung, noch eine andere werden Früchte tragen. Die eine und einzige Lösung ist der Widerstand, und Iran ist bereit, weiterhin Unterstützung zu leisten und darüber hinaus, und sie [die Palästinenser] können auf uns zählen.“


Erstmals veröffentlicht am 14. Februar 2014 bei Al-Monitor. Übersetzt von Bahram Sojudi.

*Anmerkung der Redaktion und nachfolgende Anmerkungen und Ergänzungen in den eckigen Klammern ebenso.


Kianusch20-02-14

Kein Wort davon, dass Palästinenser - trotz der vorhergehenden Unterstützung des Iran - im Iran/Irak Krieg auf der Seite von Saddam gegen den Iran gekämpft haben - als Unterstützung Ihrer Arabischen Brüder?

Thomas21-02-14

Ein Grund warum viele Iraner das Regime der Mullahs ablehnen liegt in der Einmischung des Mullahregimes in Palästina. Milliarden iranischen Geldes haben die Mullahs für Palästina, Libanon und Syrien ausgegeben, um sicherzustellen, dass keine Ruhe dort einkehrt.
Ein echter Wandel der Aussenpolitik ist notwendig, um nicht die Region weiter zu destabilisieren. Dabei sollte die Außenpolitik den Interessen der Iraner dienen. Die Mullahs aber geben all diese Milliarden aus, um ihre Macht zu sichern, während die Menschen im Iran auf Lebesmittel Pakete angewiesen sind. Es ist ebenfalls symptomatisch, dass das Mullahregime sich gegen Verhandlungslösungen ausspricht und statt dessen auf Widerstand setzt. Es sollte nicht vergessen werden, dass Israel Iran im Iraqkrieg Waffen verkauft hat, als die ganze Welt Iraq unterstützte. Israel nimmt auch die meisten iranischen Flüchtlinge im nahen Osten auf. http://www.theguardian.com/world/iran-blog/2014/feb/20/why-cant-iran-and-israel-be-friends?fb_source=timeline&ref=profile#_=_

Le Mec23-02-14

Vielen Dank, sehr spannender Artikel! Nach dem Lesen denkt man, dass man das hätte kommen sehen müssen, wenn man die Logik der Islamischen Republik versteht. Andererseits glaube ich, dass Teheran grundätzlich nie etwas gegen eine solche Strategie gehabt haben dürfte, dass es aber eher an den Parteien in Palästina gelegen haben könnte. Der relative Abstand, der nun zur Hamas herrscht, war vielleicht für die PLO nur ein Signalschuss, dass die guten Beziehungen zu Iran nun wieder ohne Gesichtsverlust hergestellt werden können.

Guy Fawkes24-02-14

Die IR Iran will natürlich einen Weg finden, langfristig ohne völlig katastrophalen Gesichtsverlust mit Israel ins Gespräch zu kommen und das geht am wenigsten peinlich über den Weg der PLO. Es scheint zu dämmern, daß man mit dem kindischen "Widerstands"getue als Dritte Welt Land gegen die Mächte, die die Welt beherrschen, sich etwas Legitimität herbeireden kann, aber seinem Volk auf die Dauer keinen Gefallen tut.

TE28-02-14

@Kianusch

Es haben nicht islamistische Palästinenser auf Seiten Saddam Hussein gegen Iran gekämpft, sondern Palästinensern aus anderen politischen Spektren.

TE + RA28-02-14

@Thomas
@Guy Fawkes

- Die Unterstützung an den sogenannten palästinensischen Widerstandsgruppen und Hisbollah gilt gemäß US-amerikanischen Umfragen in der iranischen Bevölkerung als populär. Und es ist sogar in den nationalen Interessen Irans. Dadurch punktet man einerseits in der arabischen Welt, andererseits hat man dadurch unmittelbar an der israelischen Grenze Vergeltungspotentiale.

Die Unterstützung an Syrien hat ebenso mit Vergeltungspotentiale zu tun, hier ausführlicher: http://irananders.de/nachricht/detail/691.html

- Widerstand wird in Iran als Mittel zum Zweck verstanden. Der Zweck ist, Israel unter Druck zu bringen, damit es ein Referendum der Palästinenser über ihrem Schicksal zustimmt und das Ergebnis umsetzt.

- Die Rede von iranischen Flüchtlingen in Israel ist fraglich, wenn man bedankt, dass Israel ein Einwanderungsland ist, das mit hohen Summen Juden aus aller Welt anlockt, um in Israel sich anzusiedeln.

- Dass Iran im Krieg gegen Irak Waffen aus Israel gekauft hat, entspringt aus zwei Irrtümern. Der erste Irrtum kann im bekannten Buch "Geheimakte Mossad" nachgelesen werden. Die Iraner wussten nicht, dass ihre Geschäftspartner Israelis waren, es war eine Operation der Mossad. Der zweite Irrtum ist, dass Iran von den US-Amerikanern Waffen erhalten hat, um die amerikanischen Geiseln im Libanon zu befreien. Die Waffen wurden über Israel geliefert, später hieß es in den Medien, dass Israel die Waffen geliefert hätte.

Letztlich muss aber auch gesagt werden, dass die Islamische Republik Iran ein rationaler politischer Akteur ist, die in einer Zwangslage eine Politik temporär und aus taktischen Gründen anwendet - sofern die die einzige Lösung ist - die sonst nicht angewendet werden würde. Dies tut im Übrigen jeder Staat, wobei viele Staaten nicht einmal in einer Zwangslage geraten müssen, um es so zu tun.

Thomas01-03-14

TE+RA,

Welche amerikanischen Umfragen meinen sie, gibt es Quellen? Wusste gar nicht, dass die Amerikaner so einen Einfluss auf die Iraner haben? Es wäre mir neu , dass iranische Bürger, die nicht der Hizbollah und Basiji zugehörig sind, die Unterstützung militanter ausländischer Gruppen wie Hizbollah befürworten?
Konnte man in 2009 nicht die Stimmen von Millionen protestierender Iraner hören, die sich gegen die Einmischung aussprachen?
Letztendlich ist der aktuelle Ruin der iranischen Wirtschaft durch das Regime der Gottesvertreter auch durch diese Art der Geldverschwendung entstanden.

Reza02-03-14

liebe Damen und Herren der Redaktion,
mich interessiert der Artikel von Herrn Ganji über Herrn Khamenei, wieso wurde so ein spannender Artikel entfernt?

WEBMASTER: Er ist nicht entfernt, aufgrund einiger technischen Schwierigkeiten, sind einige Artikel temporär nicht abrufbar. Wir arbeiten daran.

TE06-03-14

@Thomas

Sie schreiben meines Erachtens an der Realität vorbei, wenn Sie vom "aktuelle(n) Ruin der iranischen Wirtschaft" sprechen.

2009 war es nur eine kleine Gruppe von Sympathisanten der Exil-Opposition, die am Tag von Quds Parolen gegen die Unterstützung Irans an Gaza und Libanon riefen. Es waren nicht die Parolen der Oppositionsführer und der Masse der Demonstranten.

Nach der Umfrage des amerikanischen "International Peace Institutes" in New York, das mit dem Sekretariat der UNO eng zusammenarbeitet, unterstützten 68 Prozent der Iraner die Unterstützung der Islamischen Republik an Hamas und Hisbollah. Die Umfrage ist übrigens von 2009, also genau aus dem Jahr, wo Splittergruppen gegen diese Unterstützung demonstriert haben.

http://www.ipinst.org/images/ppts/iran_poll.pptx

Reza06-03-14

Mein tiefstes Mitleid gilt dem palästinensischen Volk, das einerseits von einem Verbrecher-Regime mit alles erdenklichen Methoden erniedrigt, benachteiligt und ermordet wird, und andererseits dessen politische Fraktionen sich immer wieder von regionalen Mächten verführen lassen. Das arme Volk muss endlich aufwachen und den Tatsachen in die Augen schauen und erkennen, dass sie nur als Spielball dient. Die iranischen Gelder, die im Namen vom palästinensischen Volk ausgegeben werden, sind in Wahrheit Gelder, die den Machtanspruch des iranischen Systems in der Region dienen. Herr Hassan Abasi bringt das Schön auf den Punkt: „die Frontlinie zwischen Iran und dem Verbrecher-Regime verläuft in Palästina und Südlibanon, und Gelder, die wir hier ausgeben, sind Verteidigungsgelder. Es ist nicht die Aufgabe des Verteidigungsministeriums sich um arme Menschen im Iran zu kümmern“.

Den Funktionären des System sind die Menschen gleichgültig, ob sie ihr Leben oder ihr Geld darauf geben.

Ich möchte nun in die Runde fragen, wissen Sie wer die Zeche Zahlt? Sind es nicht immer die hart arbeitenden Menschen? Oder hat je einer von uns einen Funktionären bluten sehen, für etwas, was sie uns propagieren?

RA11-03-14

@Reza

Hassan Abbasi hat Recht, wenn er sagt, dass durch die Finanzierung von militanten Gruppen an der israelischen Grenze, Iran ein Vergeltungspotential besitzt. Iran hat nun mal gemeinsame Interessen mit diesen militanten Gruppen und daher profitieren sie voneinander. Ob aufgrund dieser iranischen Unterstützung die palästinensische Bevölkerung darunter wesentlich leidet, mag ich anzweifeln. Ich denke, hier wird Ursache und Wirkung miteinander verwechselt. Oder wie der iranische Außenminister jüngst sagte, könne Iran nichts machen, wenn Israel und die Palästinenser zu einer Lösung kommen würden.

Und dass ein Verteidigungsministerium nicht primär für die Wirtschaftspolitik eines Landes zuständig ist, steht doch außer Frage. Letztlich profitiert das iranische Volk von dieser Verteidigungsstrategie. Ohne diese hätten die Israelis wahrscheinlich schon längst zugeschlagen. Der Krieg 2006 gegen die Hisbollah sollte ja nur der Beginn für den Krieg gegen Iran sein.





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