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09.10.2013 Scott Peterson

„Konstruktives Engagement“ zwischen Iran und USA? Fünf Dinge, die es zu beachten gilt


Irans Außenminister Javad Zarif, US-Außenminister John Kerry und  EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton bei einem Treffen der G5+1 am 25. September 2013.

Irans Außenminister Javad Zarif, US-Außenminister John Kerry und die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton lächelnd bei einem Treffen der G5+1 am 25. September 2013.

Iran schickt seit geraumer Zeit jede Menge  Signale, dass er wieder mit „einer veränderten Welt“ zusammenarbeiten möchte. Was sind die Schlüsselfragen, mit denen sich die USA und Iran auseinandersetzen müssen?

Nie zuvor in der 34-jährigen Geschichte der Islamischen Republik Iran haben ihre Repräsentanten in kürzester Zeit mehr Signale gesendet mit dem Wunsch, den Kontakt zu den USA und der Außenwelt wiederaufzunehmen.

Präsident Hassan Rouhani definierte eine Politik des „konstruktiven Engagements“ in einer „veränderten“ Welt, und forderte in der heutigen Washington Post andere Staats- und Regierungschefs auf, „die Gelegenheit, die sich durch Irans jüngste Wahlen bietet, zu ergreifen“. Tage zuvor versprach er in einem Interview mit NBC News, dass Iran „niemals“ nach Atomwaffen streben würde und nannte Krieg eine „Schwäche“.

Selbst Irans religiös-politischer Staatsoberhaupt Ayatollah Ali Khamenei sagte diese Woche, Iran würde „heroische Flexibilität“ zeigen, wenngleich er darauf achten werde, den „Gegner ... und sein eigentliches Ziel“ nicht zu vergessen.

Doch können diese Versprechen, wenn auch nur teilweise, verwirklicht werden? Während der Iran seine Charme-Offensive in der Absicht vorantreibt, die lähmenden, von den USA angeführten Sanktionen zu lockern und die Pattsituation über sein umstrittenes Atomprogramm zu beenden, stellen Analysten mehrere Punkte fest, die die zukünftigen diplomatischen Bemühungen gestalten könnten:

1 . „Großes für Großes“

„Nach 10 Jahren des Hin und Her ist klar, was alle Seiten in Bezug auf unsere Atom-Akte nicht wollen“, schreibt Herr Rouhani in der [Washington] Post.

„Doch um aus den Sackgassen herauszukommen - sei es in Bezug auf Syrien, das Atomprogramm meines Landes oder seine Beziehungen zu den Vereinigten Staaten - müssen wir Höheres anstreben“, schreibt Rouhani. „Wir alle müssen den Mut aufbringen, deutlich zu vermitteln, was wir wollen – klar, prägnant und aufrichtig – und dies unterstützt mit dem politischen Willen, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.“

Das zu bewerkstelligen bedeutet, den beschwerlichen und zum Stillstand gekommenen Verhandlungsprozess zwischen Iran und der P5+1 Gruppe (USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland) zu transformieren, der ja derzeit fokussiert ist auf stufenweise, den Aufbau von Vertrauen abzielende Maßnahmen, ohne dabei jedoch auf ein klares Ende abzuzielen.

„Wir müssen viel kreativer sein, als wir zu sein bereit waren... Wir müssen nach ‚Großem für Großes‘ streben“, sagt George Perkovich, ein Nuklearexperte an der Carnegie-Stiftung für Internationalen Frieden.

Das Modell der kleinen Schritte „ist zum jetzigen Zeitpunkt völlig kontraproduktiv, [denn] die Iraner möchten wissen, wo die Straße endet, nicht wo sie beginnt. Ist es eine finstere Seitengasse, wo sie auf halbem Weg überfallen werden? Oder führt sie tatsächlich an einen Ort, der von ihnen geschätzt wird?“, fragte Herr Perkovich am Donnerstag in New York auf einem Forum, organisiert von "Das Iran-Projekt", einer Gruppe ehemaliger Funktionäre und Experten, die seit mehr als einem Jahrzehnt auf einen Dialog zwischen USA und Iran drängen.

2. Wechselseitige Akzeptanz

Ganz oben auf der Liste der Beschwerden zwischen den USA und Iran ist der Widerwille, die Präsenz des jeweils anderen oder den Einfluss im Nahen Osten zu akzeptieren. Iran führt seit Jahrzehnten eine „Achse des Widerstandes“ gegen amerikanische und israelische Interessen an; Bis vor wenigen Jahren gingen ihnen US-amerikanische Verantwortliche aus dem Weg, um zu vermeiden, Irans revolutionäre Regierung nach 1979 beim Namen zu nennen.

„Wie sieht der Deal aus, der es Iran erlaubt, die Stellung der Vereinigten Staaten in der Region zu akzeptieren, die Legitimität unserer Stellung in der Region, und wir die Legitimität der iranischen Position in der Region akzeptieren?“, fragt der ehemalige Botschafter der USA Frank Wisner, der ebenfalls auf dem Forum ‚Das Iran-Projekt‘ eine Rede hielt.

Die Lösung würde voraussetzen, dass die USA „unseren Weg voran in die Zukunft balancieren“, sagte Botschafter Wisner, und er fügte hinzu, dass bei den Treffen bei den Vereinten Nationen nächste Woche, „wir viel klarer die Parameter dessen, was möglich sein könnte, erkennen werden.“ Rouhani sprach am Dienstag zur Generalversammlung, am selben Tag wie Präsident Obama.

Wisner: „Wir werden zu [Syrien-Gesprächen in] Genf nicht ohne Iran gelangen, wir werden keine Sicherheit für unsere Schiffe und Matrosen im [Persischen] Golf bekommen, wir werden zu keinem Rahmenkonzept kommen, um Afghanistan zu normalisieren, wir werden zu keiner Verständigung gelangen, das den israelischen Empfindlichkeiten Rechnung trägt – wir werden nichts davon erhalten, wenn wir keine grundlegendes Übereinkommen mit Iran haben.“

3. Die Herausforderung in den USA

Doch um dorthin zu gelangen, wird alles andere als einfach sein. Der US-Kongress hat  immer härtere Sanktionen verhängt, die heute auf die gesamte Bandbreite der iranischen Wirtschaft zielen, von der Begrenzung der Ölexporte – die in zwei Jahren von 2,4 Millionen Barrel pro Tag auf unter 1 Million gesunken sind – bis hin zur Blockade der Zentralbank und von Finanztransaktionen.

Analysten sagen oft, der Kongress sei „verliebt“ in Sanktionen, eine Standardpolitik, die, wie die Gesetzgeber vielleicht meinen, Iran zur Kapitulation zwingen werde. Iran hat geächzt unter dieser "Zuckerbrot und Peitsche"-Methode der USA und sagt, es gäbe zu viele Peitschen und Zuckerbrot sei ohnehin nur etwas für „Esel“.

Nasser Hadian-Jazy, der internationale Beziehungen an der Universität Teheran lehrt, erwartet einen relativ raschen Fortschritt bei einem Atomabkommen, ist jedoch weniger optimistisch in Bezug auf einen unmittelbaren Durchbruch zwischen USA und Iran.

Der Grund? „In beiden Ländern existiert eine politische Struktur, die die feindliche Beziehung zur Folge hat.“ Und viele von denen, die davon profitieren, haben Machtpositionen inne und werden „jegliche Art von Hindernissen erzeugen“, sagt Herr Hadian-Jazy in einem Interview.

„Wenn man nur sieht, dass ein US-Senator oder Kongressabgeordneter etwas Positives über Iran sagt, wird er oder sie dafür büßen. Doch wenn sie negative Dinge sagen, kostet sie das nichts“, sagt er. „Genauso ist es in Iran: Wenn ein Mitglied des iranischen Parlaments irgendetwas Positives über die USA oder Verhandlungen oder die Verbesserung der Beziehung sagt, wird er oder sie den Preis dafür zahlen. Aber [nicht], wenn sie etwas Negatives sagen.“

Faktisch motiviert der Gedanke eines Regimewechsels in Iran immer noch einige Kongressabgeordnete.
 
„Die Gewohnheit, in Washington einen Feind zu sehen und mit allen Ressourcen und Anschauungen gegen ihn vorzugehen, wird schwer zu überwinden sein“, sagt William Luers, ein ehemaliger hochrangiger US-Offizieller und Botschafter, der ‚Das Iran-Projekt‘ leitet.

„Wenn die Vereinigten Staaten in der Lage sind, ihre Einstellung zu ändern – und angesichts der Einstellung des Kongresses, die sich in Bezug auf das Thema Sanktionen entwickelt hat, ist es nicht klar, dass der Präsident imstande sein wird, das zu tun, was er wohl tun muss – [dann] sind wir am Rande von etwas, das sehr wichtig sein könnte“, sagt Botschafter Luers, der ebenfalls in New York sprach.

4. Das nukleare Rätsel

Die iranischen Führer haben wiederholt erklärt, dass sie keine Atomwaffen wollen, und überdies, dass sie an einem frühen religiösen Urteil Ayatollah Khameneis, das solche Waffen ablehnt, festhalten.

„Das ist der Schlüssel zur Lösung“, sagt Perkovich von der Carnegie-Stiftung.

Die Schlagworte sollten „misstraue und überprüfe“ lauten, sagt er. „Wir wissen, dass die Vereinigten Staaten den Iranern nicht trauen, aber was wir in der Regel nicht wahrnehmen ist, dass die Iraner uns etwa tausend Mal mehr misstrauen, und dass der Führer [Ayatollah Khamenei, Anm. d. Red.] Gründe dafür hat“.

In seinem Beitrag in der Washington Post schreibt Rouhani: „Ein konstruktiver Ansatz zur Diplomatie bedeutet nicht den Verzicht auf seine Rechte.“ Für Iran, schreibt er, geht es bei der Beherrschung des atomaren Brennstoffkreislaufs „genauso viel um die Diversifizierung unserer Energiequellen wie um die Iraner als Nation, unsere Forderung nach Würde und Respekt und unseren folgerichtigen Platz in der Welt.“

Die USA trauen Irans Ablehnung von Atomwaffen immer noch nicht, sagt Perkovich, „deshalb wird die Lösung sein, dass sie für genügend Transparenz sorgen, um tatsächlich zu verifizieren, dass sie keine Atomwaffen wollen… das geht weit über [Uran] Anreicherung und Brennstoffzyklen hinaus.“

Ebenso, fügt Perkovich hinzu, gibt es eine Beweislast seitens der USA: „Wir sagen, wir wollen keinen Regimewechsel, sondern vielmehr eine Verhaltensänderung, und dass sie ein friedliches Atomprogramm haben können. Sie glauben das nicht…. Also werden wir ihnen beweisen müssen, dass wir keinen Regimewechsel anstreben, [und] der offensichtliche Weg, das zu tun, ist, die Sanktionen zu beenden, die den meisten Druck auf das Regime ausgeübt haben.“

5. Auf gemeinsamen Interessen aufbauen

Irans neuer Präsident stellt gemeinsame strategische Interessen mit den USA fest, und „die Welt hat sich verändert“, so dass es „nicht mehr ein Nullsummenspiel ist“, sondern eines in dem „Kooperation und Konkurrenz oft gleichzeitig auftreten. Vorbei ist die Zeit der Blutfehden. Von den Führern der Welt wird erwartet, Drohungen in Chancen umzuwandeln“, schreibt Rouhani in der [Washington] Post.

Er erläutert auch, dass es Grenzen für die Verwendung von kinetischer Gewalt gibt. Ein Jahrzehnt und zwei Kriege nach dem 11. September, „fahren Al-Qaida und andere militante Extremisten fort, Chaos und Verwüstung anzurichten“, solange das tägliche Blutvergießen im Irak und in Afghanistan weitergeht, schreibt Rouhani. „Der einseitige Ansatz, der brachiale Gewalt glorifiziert und Gewalt erzeugt, ist eindeutig untauglich für das Lösen der Probleme, von denen wir alle betroffen sind, wie zum Beispiel des Terrorismus und Extremismus.“

Das erste Beispiel könnte Syrien sein, wo Rouhani die „Bereitschaft“ seiner Regierung zugesichert hat, den Dialog für eine Lösung zu unterstützen. Beide Seiten fürchten den Aufstieg der islamistischen Jihad-Kämpfer in den Reihen der Rebellen, obwohl Iran und die USA jeweils die Gegenseite auf dem Schlachtfeld unterstützen.

„Iran ist in Syrien. Es ist töricht von uns zu glauben, heute ohne die Beteiligung der Iraner einen Weg aus der Syrien-Krise zu finden“, sagt Wisner. „Es ist ein Entgegenkommen, das uns als Amerikaner geziemt anzunehmen, uns darüber im Klaren zu sein und bereit zu sein, sich zu verpflichten.“


Erstmals veröffentlicht am 20. September 2013 bei The Christian Science Monitor. Übersetzt von Yaz Theder.


Alex11-10-13

Rebellen töten mindestens 190 Menschen [...]*

*MODERATION: Bitte bleiben Sie beim Thema des Artikels. Vielen Dank.

Homayoun H.16-10-13

Sehen wir etwa schon die ersten Anzeichen eines Umdenkens und einer weitsichtigeren Neuausrichtung der Nahost-Strategie (soweit man im Westen in diesem undurchsichtigem Wirrwarr überhaupt eine halbwegs funktionierende Strategie noch erarbeiten kann), einhergehend mit neuen Allianzen und Zweckbündnissen, in USA? Sieht man in USA etwa auch schon was unausweichlich ist und bereitet sich langsam aber sicher darauf vor?

Wenn irgendwo zwischen zwei Mächten ein noch so harmlos aussehender Pakt geschlossen wird, muss man sich sofort fragen, wer hier umgebracht werden soll. (Otto von Bismarck)

http://www.nzz.ch/aktuell/international/auslandnachrichten/flirt-zwischen-iran-und-amerika-schockt-die-saudi-1.18161348





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