Übermittlung Ihrer Stimme...

Bewertungen: 5.5 von 6. 11 Stimme(n). Klicken Sie auf den Bewertungsbalken, um diesen Artikel zu bewerten.
03.07.2013 Flynt Leverett und Hillary Mann Leverett

Nach Rohanis Wahl: Wie Washington sich um Iran bemühen sollte


Hassan Rouhani und Mahmud Ahmadinejad

Wird der neue Präsident Hassan Rouhani eine Annäherung an den USA gelingen, was seinem Vorgänger Mahmoud Ahmadinejad nicht geglückt ist?

Im Folgenden ein Artikel von dem ehemaligen leitenden Analysten der CIA, Dr. Flynt Leverett und Hillary Mann Leverett, die ehemalige stellvertretender Nahost-Direktor des Nationalen Sicherheitsrats der USA.

Was Rohanis Wahl für Washington bedeuten sollte

Die Präsidentschafts- und Kommunalwahlen am Freitag in Iran zeigen, dass die Islamische Republik weitaus stabiler und politisch dynamischer ist als die westliche herkömmliche Meinung landläufig anerkennt. Darüber hinaus stellt die Wahl von Hassan Rohani - der den Obersten Nationalen Sicherheitsrat der Islamischen Republik sechzehn Jahre lang geleitet hatte und für einen Großteil dieser Zeit Teherans Atom-Chefunterhändler gegenüber dem Westen war - Washington eine Gelegenheit dar, da Rouhani die US-iranische diplomatische Agenda auf eine wesentliche und detaillierte Weise kennt. Falls also die Regierung Obamas um der neuen Regierung Rohanis sich effektiv bemühen und die US-iranischen Beziehungen in eine positivere Bahn lenken will, muss sie die US-Politik in vier grundlegenden Punkten revidieren:

Erstens, Washington muss die Islamische Republik als eine dauerhafte politische Einheit akzeptieren, die legitime nationale Interessen vertritt. Praktisch seit der Errichtung der Islamischen Republik im Zuge der iranischen Revolution hat die amerikanische Elite erklärt, sie sei ein illegitimes System, das so dysfunktional und von der eigenen Bevölkerung verachtet, dass es in unmittelbarer Gefahr eines Umsturzes sei.

In Wirklichkeit ist die Islamische Republik für die meisten Iraner, die in Iran leben, ein legitimes System. Seine treibende Idee – das laufende Projekt der Einbeziehung islamistischer Führung und partizipativer Politik – wirkt nicht nur in Iran anziehend, sondern auch auf die muslimischen Gesellschaften überall im Nahen Osten. Trotz jahrzehntelangen militärischen, verdeckten und internationalen wirtschaftlichen Drucks hat sie mehr fortschrittliche Entwicklungsergebnisse erzielt als dies das Schah-Regime jemals erreicht hatte – z. B.  Linderung der Armut, die Bereitstellung von Gesundheitsversorgung, Zugangserweiterung bei Bildung und (ja!) die Verbesserung der Chancen für Frauen – und hat in diesen Bereichen bessere Arbeit geleistet als ihre Nachbarn (einschließlich der US-Verbündeten wie Saudi-Arabien und die Türkei).

Die Wahl Rouhanis, ein moderater Konservativer, bedeutet kaum eine grundlegende Herausforderung für die Islamische Republik (trotz des Wunschdenkens einiger, die die Bedeutung der Grünen Bewegung vor vier Jahren überschätzt hatten). An demselben Tag, als Rohani die Präsidentschaft gewann, übernahmen die Konservativen 70 Prozent der mehr als 200.000 vergebenen Gemeinderatssitze quer über Iran.

Kurz gesagt, die Islamische Republik verschwindet nicht. Selbst von den Iranern, die die Islamische Republik drastisch ändern möchten, wollen die meisten von ihnen letztendlich sie immer noch als eine Islamische Republik Iran.

Washington muss diese Realität akzeptieren, wenn es produktiv mit Teheran verhandeln will. Unter anderem würde eine Akzeptanz das Einstellen des "schmutzigen Krieges", den Amerika gegen die Islamische Republik führt, bedeuten – dieser schließt den Wirtschaftskrieg gegen Zivilisten, das Androhen von Sekundärsanktionen gegenüber Drittstaaten bei Verletzung der Verpflichtungen der USA gegenüber der WTO, Cyber-Angriffe und Unterstützung für Gruppen, die in Iran Dinge ausführen, die Washington anderswo als "Terrorismus" verurteilt, ein.

Als Präsident Richard Nixon im Jahr 1969 sein Amt antrat, befahl er der CIA im Glauben, es sei für Amerika strategisch wichtig, die Beziehungen zu der Volksrepublik China neu auszurichten, verdeckte Operationen in Tibet einzustellen und ordnete der Siebenten Flotte an, die aggressiven Patrouillen in der Straße von Taiwan zu stoppen. Nixon tat diese Dinge als Zeichen dafür, dass er es ernst meinte, wenn er sich diplomatisch der chinesischen Führung näherte.

Die iranische Führung muss vergleichbare Schritte von Präsident Obama sehen, anstatt die Farce von Obamas "Zweigleisigen"-Politik, derzufolge Iran mit der "Peitsche", gleichbedeutend mit der unbefristeten Verschärfung von Amerikas schmutzigem Krieg, bedroht wird, wenn er nicht sein international bewachtes Atomprogramm gegen das „Zuckerbrot“ eintauscht, was bedeutet, vielleicht Flugzeugersatzteile vom Westen kaufen zu dürfen.

Zweitens, Washington muss mit der Islamischen Republik als System umgehen und aufhören zu versuchen, das iranische Volk gegen seine Regierung auszuspielen. Erfreulich ist, dass sich das Weiße Haus in einer Presseerklärung über die iranische Präsidentschaftswahl auf Iran mit seiner offiziellen Bezeichnung "Islamische Republik" bezieht. Das ist etwas, das die Obama-Regierung seit 2009 verweigert hatte zu tun. Doch in dieser Stellungnahme wird nicht Rohani gratuliert; es wird dem iranischen Volk gratuliert "für seine Teilnahme am politischen Prozess, und seinem Mut, sich Gehör zu verschaffen ... vor dem Hintergrund eines Mangels an Transparenz, der Zensur von Medien, Internet und SMS-Nachrichten und der Einschüchterungen des sicherheitspolitischen Umfeldes.“ Solch eine Haltung erleichtert keine produktive Diplomatie nach Rouhanis Amtsantritt.

Ebenso sollte Washington aufhören nach iranischen "Moderaten" zu suchen, die, nach US-Definition, nur deshalb moderat sind, weil amerikanische Amtsträger glauben, sie könnten dazu bereit sein, einige der souveränen Rechte Irans zugunsten mehr wirtschaftlicher Beziehungen mit dem Westen unterzuordnen. Die Clinton-Regierung versuchte, um Ayatollah Khamenei herumzuarbeiten und nur mit dem reformistischen Präsidenten Mohammad Khatami während dessen erster Amtszeit zu verhandeln. Ein Jahrzehnt später versuchte die Obama-Administration um Präsident Mahmud Ahmadinedschad herumzuarbeiten und mit Khamenei direkt zu verhandeln. Die Taktik scheiterte jedes Mal – und sie wird erneut scheitern, wenn Obama sie bei dem neu ins Amt eingeführten Präsident Rohani wiederholt.

Die Islamische Republik wurde so konzipiert, dass sie mehrere, konkurrierende Machtzentren umfasst – z. B. das religiös-politische Staatsoberhaupt, die Präsidentschaft und das Parlament. Als Staatsoberhaupt hat Khamenei drei Präsidenten – Ali Akbar Hashemi Rafsanjani, Mohammad Khatami und Ahmadinejad – gestattet, sehr unterschiedliche, selbst definierte Programme zu verfolgen, aber sie auch zurückgehalten, wenn er der Meinung war, ihre Ansichten könnten die Identität der Islamischen Republik und ihre langfristige Sicherheit schwächen. Khameneis Beziehung mit Präsident Rouhani wird sich wahrscheinlich auf ähnliche Weise abspielen.

Washington hilft seiner Sache nicht mit dem Versuch, ein Machtzentrum gegen ein anderes zu manipulieren. Bei der Entscheidung über die Neuausrichtung der Beziehungen zu Amerika bedarf es in Teheran eines Konsenses – eines Konsenses, der sowohl das Staatsberhaupt als auch den Präsidenten einschließt. 

Drittens, Washington muss Irans legales Recht anerkennen, als souveräner Staat und als Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrags, Uran unter internationalen Sicherungsmaßnahmen (Safeguards) anzureichern. Wie wir letzten Monat schrieben: "Wenn Washington Irans Recht auf Anreicherung anerkennt, könnte innerhalb einiger Wochen ein nukleares Abkommen mit Teheran geschlossen werden"; doch "solange sich Washington weigert, Teherans nukleare Rechte anzuerkennen, wird keine dauerhafte Vereinbarung möglich sein.“ Unter Präsident Rohani wird das genauso gelten wie in der Zeit davor.

Es gibt einen starken Konsens in Iran – quer durch das Parteienspektrum, gebilligt von Ayatollah Khamenei und unterstützt von der öffentlichen Meinung –, dass die Islamische Republik ihre nuklearen Rechte nicht aufgeben sollte. Im diesjährigen Wahlkampf wurde Rouhani für seine Haltung bezüglich der nuklearen Diplomatie mit dem Westen kritisiert; in den Jahren 2003-2005, während Rohanis Amtszeit als Atom-Unterhändler, erklärte sich Teheran einverstanden, die Urananreicherung für fast zwei Jahre auszusetzen, und bekam dafür keine Gegenleistung vom Westen. Rohani, der Hochschulabschlüsse in Islamischem Recht und säkularem Recht hat, verteidigte vehement seinen Ruf mit dem Argument, dass seine Vorgehensweise Iran half, Sanktionen zu vermeiden und zugleich den Boden für die nachfolgende Erweiterung der Infrastruktur für die Anreicherung zu bereiten. Vorausschauend verpflichtete er sich ausdrücklich zur Verteidigung des Rechts der Islamischen Republik auf Anreicherung. Es wird keine nukleare Vereinbarung ohne die Anerkennung dieses Rechts durch die Vereinigten Staaten geben.

Viertens, Washington muss die Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien und anderen bei ihrer Verbreitung des gewalttätigen, Al-Kaida-ähnlichen sunnitischen Extremismus im gesamten Nahen Osten einstellen, der Teil eines schlecht durchdachten Plans war, um Iran einzudämmen. Diese Strategie sieht man derzeit in Syrien, wo seit Beginn der Unruhen im Jahr 2011 die Obama-Administration danach strebte, eine zunehmend mit Ausländern besetzte und unterstützte Opposition zu benutzen, um die Regierung Assads zu stürzen und Irans Position zu schädigen. Die Regierung verstärkt nun die Unterstützung für die Opposition und sagt ausdrücklich, dass dies dazu dient, Teheran und seine Verbündeten am „Sieg“ in Syrien zu hindern.

Die Islamische Republik hat bewiesen, dass sie ein konstruktiver Partner im Kampf gegen die Ausbreitung von gewalttätigem sunnitischem Extremismus sein kann. Mit der Eskalation des Konflikts in Syrien wird Washington in erster Linie den Tod von weiteren Zehntausenden Syrern zulassen; Washington wird auch – wie schon zuvor (z. B. in Afghanistan und Libyen) – eine langfristige Bedrohung der eigenen Sicherheit und die aller Länder mit Interesse an einem stabilen Nahen Osten bebrüten. Der einzige Ausweg aus dem syrischen Konflikt ist eine seriöse Diplomatie, die eine politische Einigung zwischen der Assad-Regierung und ihren Gegner erleichtert. Iran ist ausschlaggebend, um dies zu erreichen.

Wenn Washington wirklich bessere Beziehungen mit Teheran nach Rohanis Wahl will, so ist der Weg eindeutig.


Erstmals veröffentlicht am 18. Juni 2013 bei Going to Tehran. Übersetzt von Yaz Theder.


fariborsm04-07-13

Nach Rohanis Wahl: Wie Washington sich um Iran bemühen sollte? Keine Frage, zu mindest genau so wie er sich um seinen engsten Verbundeten BRD bemüht mit Datenklau und so. Der neu gewählter Präsident des Mullahstaates hat schon vorsorglich freien Internetzugang versprochen. Auch Bemühungen wie im Fall von F, SP. I und Portugal sollen nicht zu kurz kommen mit Überflugverbot für Präsident Morales auf Geheiß Washingtons. Noch Fragen?

sisi09-07-13

endlich eine sachliche und neutrale Beobachtung. Danke!





* Bitte haben Sie Verständnis, dass die Redaktion Beiträge editiert oder nicht freigibt mit dem Ziel einen moralischen Austausch zu gewährleisten.