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12.03.2013 Michele Steinberg

Interview mit dem ehemaligen Chefinspekteur der IAEA über Iran


Dr. Robert Kelley und Dr. Hans Blix

Die zwei einstigen höchsten Funktionäre der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO), der ehemalige Chefinspekteur Dr. Robert Kelley (l.) und der ehemalige Direktor Dr. Hans Blix (r.), kritisieren die Atombehörde für ihren befangenen und unprofessionellen Umgang mit dem iranischen Atomdossier.

Ein Interview, das unbedingt jedermann gelesen haben muss, der sich mit dem iranischen Atomprogramm beschäftigt. Das politische US-Magazin Executive Intelligence Review führte dieses lange Interview mit dem ehemaligen Chefinspekteur der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO), Dr. Robert Kelley. Es gewährt tiefe Einblicke in das Funktionieren der Atomenergiebehörde und verweist unter anderem auf den Umgang mit Beweisen, welche die IAEO von anderen Staaten zugespielt bekommt. Das lange Interview wurde an zwei Stellen, die nicht das iranische Nukleardossier behandeln, kenntlich gekürzt.

„Wenn ein Land in den Krieg zieht, wie es die USA im Jahr 2003 mit verheerenden Folgen taten, sollte man einige Lektionen gelernt haben. Es scheint, dass - in Anbetracht der aktuellen Hysterie [im Bezug des iranischen Atomprogramms, Anm. d. Red.] - keine Lehre daraus gezogen worden sind. Die wichtigste Lehre ist die Begutachtung von Fachleuten. Die Vorwürfe gegen den Irak bei der Atomfrage im Jahr 2003 stammten weitgehend aus dem Mund eines einzigen - noch dazu gering qualifizierten - Analysten in den USA. Er überschritt bei weitem seine Kompetenz und machte Anschuldigungen, die von weit mehr kompetenten Fachleuten in Stücke gerissen wurden. Nichtsdestotrotz wurde sein Ansehen aufgewertet, weil den Fachleuten ein Maulkorb angelegt wurde, und seine erschreckende Botschaft war der Obrigkeit mehr als willkommen. Der Bericht der IAEO von November 2011 über Iran sieht wie ein Déjà-vu aus... Ich denke, der Gouverneursrat sollte eine Untersuchung des Berichts verlangen und Zeile für Zeile unabhängig überprüfen lassen, wo die Informationen herkamen und warum der Bericht dermaßen einseitig geschrieben wurde.“

- Dr. Robert Kelley, früherer Chefinspekteur der IAEO

Der Modalitätsplan

Executive Intelligence Review: Gerade heute Morgen sagte Iran im Anschluss an den letzten Besuch der IAEO-Inspektoren, dass es von der IAEO einen sogenannten "Modalitätsplan" für weitere Inspektionen möchte. Das gilt insbesondere für Parchin [, einen militärischen Komplex, Anm. d. Red.]. Können Sie vor dem Hintergrund der seit dem IAEO-Bericht vom 24. Februar [2012, Anm. d. Red.] herrschenden angespannten Atmosphäre, die Bedeutung dieser Forderung erklären?

(Der 24. Februar-Bericht besagt: „Die Agentur hat weiterhin ernsthafte Sorgen bzgl. der möglichen militärischen Dimension des iranischen Atomprogramms“, ohne dafür irgendwelche neue Beweise zu liefern. Ein anderer Abschnitt des Berichts bestätigt erneut, dass alle Nuklearanlagen inspiziert, rund um die Uhr gefilmt und sicher seien, dass keine Abzweigung von Nuklearmaterial vorläge und dass keine Beweise für andere Anlagen existieren.)

Dr. Robert Kelley: Nun, ich habe jenen von Iran angefragten Modalitätsplan nicht zu sehen bekommen, aber ich denke, dass es eine sehr kluge Sache ihrerseits war, danach zu fragen. Iran hat zu einigen seiner Anlagen in der Vergangenheit Zugang gewährt und niemand weiß, zu welchen Anlagen die IAEO Zugang verlangt hat. Man weiß nicht, wonach sie gesucht haben und auch nicht, was sie gefunden haben. Wenn die IAEO Zugang bekommt, müssen beide Seiten darin übereinstimmen, es öffentlich zu machen, wohin sie gegangen sind, wonach sie gesucht haben und was sie gefunden haben. Andernfalls ist es eine „lose-lose-Situation" für Iran. Findet die IAEO nichts und schweigt, dann verliert Iran. Findet die IAEO etwas und zieht Iran da hinein, dann verliert Iran auch.

Die IAEO hat Parchin bereits zweimal besucht, das war 2005, glaube ich. Sie sagten nicht, wohin sie gehen, wonach sie suchen und was sie fanden bzw. nicht fanden. Iran ist der einzige Verlierer in diesem Beispiel, und sie sind klug, dass sie sich nun über die Bedingungen im Voraus einigen möchten.

Executive Intelligence Review: Wie Sie bereits sagten, wurde die Anlage in Parchin bereits inspiziert. Können Sie diesen letzten Besuch der IAEO erklären, der zum Bericht vom 24. Februar geführt hat? Wurde Iran in irgendeiner Weise in den Hinterhalt gelockt, in dem der Parchin-Besuch zu einer dringenden Angelegenheit erklärt wurde? Die Weigerung, Parchin im Februar zu besuchen, wurde zweifellos im israelischen Kabinett und im US-Kongress als Beweis von Irans „Nicht-Einhaltung“ ("non-compliance") benutzt.

Dr. Robert Kelley: Die erste Sache, die man bei Parchin in Betracht ziehen sollte, ist, dass es eine riesige Anlage ist. Ich schätze mal vorsichtig auf über 1.000 Gebäude. Als also damals 2005 der IAEO bei ihrer ersten Reise das Recht gegeben wurde, Gebäude zu inspizieren - ich glaube es waren fünf - und fünf Gebäude beim zweiten Besuch, da konnten sie sich die Gebäude, die inspiziert werden sollen, selbst aussuchen. Und sie haben offensichtlich nichts gefunden.

Der Grund für den nun anvisierten Modalitätsplan: Die IAEO hätte sagen müssen, wohin sie gingen, wonach sie suchten und was sie nicht gefunden haben. Die IAEO suchte, so denke ich, im falschen Teil der Parchin-Anlage. Noch einmal: Ich glaube, es handelt sich um etwa 1000 Gebäude auf etwa 24 Quadratmeilen. Und das Gebäude, dass vor kurzem ihre Aufmerksamkeit erregt hat, ist mehrere Meilen von dem Ort entfernt, bei dem sie das erste Mal gesucht hatten.

Und nun sagen sie also: "Wir wissen genau, in welches Gebäude wir gehen wollen, und wir glauben zu wissen, was dort abgelaufen ist - lasst uns da hin!". Und ich denke, dass die Iraner sagen: "Wir lassen Euch da hin, aber nachdem Ihr dort wart, müsst Ihr der Welt erzählen, was Ihr tatsächlich gefunden habt."

Lehren, die nicht gelernt werden

Executive Intelligence Review: Sie waren vor der Invasion im Irak 2003 bei der IAEO, und es zeigte sich, dass die Massenvernichtungswaffen, die Bestandteil vieler erschreckender Stellungnahmen Tony Blairs, Condoleezza Rices, Dick Cheneys und George Bushs waren, gar nicht existierten. Nun sind tausende von Amerikanern tot, zehntausende verletzt und laut einem UN-Bericht 167.000 irakische Zivilisten tot. Was haben wir daraus in Bezug auf die Verfahrensweise der IAEO gelernt?

Dr. Robert Kelley: Was wir gelernt haben, als wir damals 2002 und 2003 noch am Vorabend zum Krieg waren, war, dass Expertengutachten sehr wichtig sind und dass die Analyse nicht nur einer einzigen Person oder einer kleinen Gruppe von Leuten überlassen werden sollte. Das ist das, was letztes Jahr [in Bezug auf Irans Atomprogramm, Anm. d. Red.] geschehen ist.

Was wir seitdem gelernt haben? Absolut Nichts! Es ist wieder und wieder das gleiche Spiel, das da abläuft. Eine kleine Gruppe von Leuten, wenn nicht sogar von Individuen, macht die Analysen und verbreitet ihre Meinungen. Und diese Meinungen werden nicht überprüft.

2003 beharrte ein Analyst der CIA z.B. darauf, dass bestimmte Aluminiumrohre für Gaszentrifugen eingesetzt würden. Er verfügte innerhalb seiner Regierung selbst über eine sehr beschränkte Erfahrung, aber in Washington wurde er als großer Experte betrachtet. Und seinen eigenen Sichtweisen wurde eine Menge Aufmerksamkeit gewidmet. Wie es aber so läuft, gab es noch gediegene Experten, vor allem im Energieministerium, die diese Argumente in jedem Punkt widerlegt und gezeigt haben, warum dieser "Experte" erwiesenermaßen tatsächlich falsch lag. Nur solche Expertengutachten schafften es niemals, die Aufmerksamkeit der Regierung auf sich zu ziehen, bzw. es wurde entschieden, sie zu ignorieren. Ich denke, dass das gleiche Spiel momentan wieder läuft.

Executive Intelligence Review: Es scheint so, als würde ein großes Spiel gespielt, in dem Iran die Anschuldigungen gegen sich nicht abweisen kann. Das gilt besonders für nicht veröffentlichte Informationen einzelner Staaten.
Und offenbar ist die IAEO in der Lage, den Informationen der verschiedenen Staaten zu widersprechen. Aber sie tut es nicht. Und dann, in den US-amerikanischen Geheimdiensten, wird eine Rosinenpickerei von den IAEO-Informationen betrieben. Ich habe niemals einen Direktor der IAEO erlebt, der - während er noch Direktor war - irgendeinem dieser Statements widersprochen hätte. Ist sich der Direktor dieser falschen Darstellungen bewusst? Und was kann in dieser Hinsicht getan werden?

Dr. Robert Kelley: Gewissermaßen läuft das ein bisschen umgekehrt, weil die Geheimdienste selbst Quelle der IAEO-Berichte sind und daher keine Rosinenpickerei am Bericht betreiben. Die IAEO ist sehr kompetent darin, das nukleare Material zu analysieren, Messungen darüber anzustellen, wie viel Uran im Behälter ist oder welches Anreicherungsmaterial aus der Zentrifuge herauskommt. Das ist das, was sie tun.

Sie wissen nichts über Waffen. Sie haben keinen Auftrag und auch kein Mandat, nach Waffen zu suchen. Diejenigen, die denken, dass die IAEO eine Waffenkontrollaufsicht sei, liegen ganz schrecklich daneben.

Wenn also die IAEO einen solchen Job bekommt und mit den Analysen beginnt, kommen sie ganz schnell aus ihrem eigenen Fahrwasser heraus und man beginnt einer Menge an Schlussfolgerungen und Interpretationen zu begegnen, die einfach nicht von den Fakten gestützt werden.

Darüber hinaus ist keine dieser Informationen von der IAEO selbst ermittelt worden. Ihnen werden offenbar Informationen seitens mehrerer Mitgliedsstaaten gegeben, und sie nehmen diese Informationen einfach und plappern sie in unser Gesicht.

Wenn Sie den Bericht des IAEO-Gouverneursrat lesen, dann ist dort nicht die Rede davon, dass sie "zu dem Schluss gekommen" seien, die Dinge "analysiert" hätten oder irgendetwas in die Richtung. Sie sagen: "uns wurde erzählt, dass...; es wird gesagt, dass…; ein Mitgliedsstaat teilte uns mit, dass ein Iraner zu dieser oder jener Konferenz gegangen ist." Das sind keine Informationen, die sie selbst ermittelt haben.

Sie können also wirklich nicht sagen, dass die Mitgliedsstaaten Rosinenpickerei von der IAEO betreiben. Sie richten sich die IAEO eher als Tablett ein und legen selbst die Rosinen hinein.

Executive Intelligence Review: Das tun sie aber mit der Autorität einer UN-Agentur!

Dr. Robert Kelley: Wissen Sie, die IAEO ist keine Organisation der Vereinten Nationen. Sie ist von der UNO unabhängig. Sie berichten Erkenntnisse und Verletzungen des Vertrags an die UNO. Das sei nur mal als kleiner, aber wichtiger Punkt gesagt!

Die Eskapade um das "Yellow-Cake" aus dem Niger

[…]

Executive Intelligence Review: Dennoch wurden die "Niger-Dokumente" [im Bezug auf das Nukleardossier Iraks, Anm. d. Red.] monatelang als ein entscheidendes Beweisstück behandelt. Glauben Sie, dass so etwas Ähnliches sich momentan in Bezug auf Iran abspielt? Ich habe von Berichten über einen gestohlenen Laptop gehört. Es ist schwer, den Anschuldigungen und den Gegenanschuldigungen zu folgen. Aber gibt es Ihnen zufolge Fälschungen und Verzerrungen, die in Hinblick auf Iran als Tatsachen hingenommen werden?

Dr. Robert Kelley: Ich denke, dass das sehr gut möglich ist. Sie erwähnten den Laptop. Er bildet die Grundlage für eine riesige Menge an Informationen, die der IAEO vor Jahren gegeben wurden. Ich glaube, dass die „Gemeinschaft der US-Geheimdienste“ [United States Intelligence Community IC, ein Zusammenschluss von 16 Nachrichtendiensten der USA, Anm. d. Red.] schlussfolgerte, dass der Laptop - oder was auch immer das für eine digitale Datenbank gewesen ist - zum größten Teil korrekt war, also zum größten Teil echte Informationen beinhaltete.

Aber (dieselbe) Gemeinschaft der US-Geheimdienste hat auch geschlussfolgert, dass Iran sein Atomwaffenprogramm schon 2003 fallen gelassen hat. Das deckt sich mit den Inhalten des so genannten Laptops.

Das Fälschungsthema wird bedenklich, wenn man den November-Bericht durchgeht. Sie haben ihn in Paragrafen untergliedert, so dass man ihn Paragraf für Paragraf abarbeiten, Tabellen erstellen und dabei viele Dinge erkennen kann. Und eins dieser Dinge, nach denen ich geschaut habe, war, wie viele der Paragrafen Informationen betreffen, die darüber handeln, dass in Iran weiterhin ein Atomwaffenprogramm läuft.

Von 62 Paragrafen deuten nur zwei darauf hin, dass das Programm weiterhin läuft. Wenn man sich diese beiden Paragrafen ansieht, dann ist einer dabei, der nicht viel aussagt, weil sie nicht genügend Informationen offen legen, um irgendetwas als richtig oder falsch bewerten zu können. Sie machen einfach nur eine Bemerkung darüber, dass jemand ihnen gesagt hätte, dass das Programm noch laufe.

Aber der andere Paragraf, der sich darauf bezieht, hat Informationen zum Inhalt, die in der Londoner Times im Herbst 2009 veröffentlicht wurden. Und diese Informationen sehen sehr verdächtig aus. Sie haben offensichtliche Grammatik- und Rechtschreibefehler, genau wie das Dokument, das damals der IAEO gegeben wurde, welches sich letztlich als Fälschung erwiesen hat.

Dazu kommt, dass Mohammad El-Baradei in seinen Memoiren sagt, dass die IAEO im Herbst 2009 Information von Israel bekommen und sich entschieden hat, dass sie diese nicht benutzen können, weil sie ohne Quellenangaben waren. Sie konnten nicht sagen, wo sie herkommen und sie sahen sehr fragwürdig aus. Also wies El-Baradei diese Informationen aus gutem Grunde zurück. Er war ein sorgfältiger Jurist, als er sagte: "Ich werde keine Informationen verwenden, die ich nicht verifizieren kann." Und dennoch taucht genau jene Information im November-Bericht von 2011 auf, als eine der zwei Argumente für ein weiterhin laufendes Atomwaffenprogramm.

Der Mangel an Neugier und der Mangel an Motivation seitens der IAEO, zu sagen, dass man Informationen, die El-Baradei einst zurückwies, jetzt benutzt, ist einfach verblüffend. Im akademischen oder im geheimdienstlichen Umfeld wäre man mit so etwas nicht durchgekommen, wenn man einfach sagt: "Nun, hier haben wir Informationen, von denen jemand gesagt hat, dass sie schlecht sind" Und dann nutzt man sie anschließend. Es wurde nicht einmal gesagt: "Ich habe diese Informationen wieder ausgebuddelt, weil ich mittlerweile weiß, dass sie gut sind." Sie haben das nicht gemacht. Sie vertuschen die Tatsache, dass diese Informationen zuvor bereits abgewiesen wurden. Das stellt die Glaubwürdigkeit des ganzen Berichts in Frage.

Spannungen im Gouverneursrat

Executive Intelligence Review: Gibt es eine Option, bei der die UN-Sicherheitsratsmitglieder, die ja bisweilen sehr aggressiv werden können, eine solche Infragestellung durchführen können?

Dr. Robert Kelley: Dieser Bericht wurde nicht speziell für den Sicherheitsrat, sondern für den Gouverneursrat der IAEO angefertigt. Und es ist der Gouverneursrat, so denke ich, der sich da ransetzen und fragen sollte: "Wo kommt dieser Bericht her?"

Ich denke, dass der Gouverneursrat eine Untersuchung und eine unabhängige Überprüfung jeder Zeile des Berichts fordern sollte, einschließlich der Fragen, wo die Informationen herkommen und warum sie so extrem in eine Richtung gesponnen wurden.

Executive Intelligence Review: Besteht der Gouverneursrat aus den gleichen Mitgliedern wie die IAEO an sich?

Dr. Robert Kelley: Der Gouverneursrat besteht aus 35 Ländern, die anhand einer sehr komplizierten Methode ausgewählt werden, die damals in den 1950er Jahren entwickelt wurde. Dabei gibt es aus jeder geographischen Weltregion einige atomwaffenbesitzende Staaten, die ständig im Gouverneursrat vertreten sind. Dazu gehören z.B. die USA, Großbritannien oder Frankreich. Und dann gibt es noch andere Länder, deren Mitgliedschaft anhand eines Rotationsprinzips ausgewählt wird.

Der Gouverneursrat vertritt dennoch die ganze Welt und arbeitete bis zu einem gewissen Grad in den letzten Jahren immer auf Konsensbasis. Aber nun ist er gewissermaßen in die entwickelten Ländern auf der einen Seite und der Blockfreien Bewegung auf der anderen Seite gespalten, so dass man im Gouverneursrat mittlerweile eine Menge Spannungen sieht. Ich glaube, dass die Formel, nach der verfahren wird, so ist, dass Russland und China immer präsent sind. Der Rat setzt sich jährlich neu zusammen, aber so, dass man aufgrund dieser Formel noch so etwa 20 Länder dauerhaft dort sieht und dass andere da rein- und rausrutschen.

Executive Intelligence Review: Die Londoner Times (die sich im Besitz Rupert Murdochs befindet) ist ein Nachrichtenunternehmen, das aufgrund von Bespitzelungen von Telefonen und anderer illegaler Aktivitäten unter juristischer Untersuchung steht. Also sie sagen, dass es jene Times war, die diese "geleakten" Informationen, die El-Baradei zurückgewiesen hatte, ebenfalls bekommen hatte?

Dr. Robert Kelley: Ich bekam die ganze Geschichte in kleinen Happen mit, und es scheint, dass eine Regierung das Dokument an die IAEO gereicht hatte, woraufhin El-Baradei sagte: "Danke, (aber) ich traue dem nicht." Diese Regierung brachte dann eine Version des Dokuments nach London und fand dort auch eine Zeitung, die es veröffentlichen würde. Das war dann damals die Times. Das war 2009, gerade zu der Zeit, als El-Baradei dabei war, seine letzte Amtsperiode als Generaldirektor zu Ende zu führen. Er wies das Dokument also ab und etwa 14 Tage später, so habe ich es vernommen, erschienen die Informationen in der Presse.

Executive Intelligence Review: Das ganze Vorgehen, dass Staaten Informationen weiterreichen, wie jene Anschuldigungen im November-Bericht, und bei dem die Staaten nicht einmal die dazu gehörenden Beweise zur Verfügung stellen, scheint problematisch zu sein - und das war ja nicht das erste Mal. Nationale Sicherheit hin oder her, ist es nicht aufwühlend, dass es nicht einmal den Mitgliedsstaaten des Gouverneursrats erlaubt ist, die eigentlichen Informationen anzusehen? Ist das so richtig?

Dr. Robert Kelley: Wie jede Aussage dieser Art, ändert sich das von Zeit zu Zeit. Bei der Sache, die wir über die Zeitung Times angesprochen hatten, sagt El-Baradei in seinen Memoiren, dass ihm die Regierung, die ihm die Infos gegeben hatte, gesagt habe, dass er sie Iran zeigen könne. In anderen Fällen überreicht eine Regierung etwas und sagt, dass man es auf keinem Fall der beschuldigten Partei zeigen dürfe. Das macht natürlich einen Unterschied.

Was man von der IAEO in so einem Fall erwartet ist, dass man sagt: "Nun, ihr habt mir die Informationen gegeben, und ich versuche, sie auf unabhängigem Wege zu verifizieren." Wenn sie die auf unabhängigem Wege verifizieren können, dann ist die Seite, die ihr die Informationen zur Verfügung gestellt hat, im Recht. Wenn sie sie nicht auf unabhängigem Wege bestätigen können, dann hat die IAEO, soweit die beschuldigende Seite der Weitergabe oder der weiteren Analyse der Informationen nicht zustimmt, das Recht zu sagen: "Nun, das können wir wirklich nicht gebrauchen."

Zum Beispiel versorgten eine Reihe von Staaten die IAEO von 1991 bis 1992, gegen Ende des ersten Golfkriegs, mit detaillierten Informationen darüber, wo sie nach einem irakischen Atomprogramm zu suchen hätten. Die IAEO ging an diese Orte und entdeckte das irakische Atomprogramm. Das war also kein allzu großes Problem, weil die Informationen authentisch genug waren, um die Leute an die Stellen zu führen, wo sie hin mussten.

Wenn man nun Jahre später Informationen bekommt, die man nicht verifizieren kann und bei denen man jene Orte nicht aufsuchen kann, dann wird der Job sicher schwieriger. Das heißt nicht, dass die Informationen, die uns die Leute geben, falsch oder nicht akkurat wären. Aber kann man sie dann aufgrund der Tatsache, dass man in einem juristisch sehr strukturierten Umfeld arbeitet, nicht verifizieren, dann muss man sich entscheiden, wie weit man an dieser Stelle gehen darf.

Executive Intelligence Review: Können Sie uns Ihre Sichtweise zu dem Argument ausführen, wonach die USA selbst die Quelle für die Informationen im Anhang des November-Berichts sind? (Der Abschnitt des Berichts, der jene Informationen auflistet, die nicht den direkten Untersuchungen und Verifizierungen der IAEO entstammen, Anm. d. Red.) Und dann gibt es zwei Formulierungen, die die Leute verwirren: "Angebliche Studien" (Alleged Studies) und "Mögliche militärische Dimensionen" (Possible Military Dimensions, PMDs). Die Formulierung PMDs wurde in einigen Debatten herangezogen, einschließlich wichtiger Debatten im US-Kongress, wo sie die Bedeutung von Massenvernichtungswaffen (WMD) bekamen, und die Formulierung "Angebliche Studien" wurde dort zu "Beweise für". Was bedeuten diese Formulierungen wirklich, und woher kommen sie ursprünglich?

Dr. Robert Kelley:  Richtig, diese Begriffe sind wahrscheinlich in keinem juristischen Buch oder ähnlichem definiert worden. Aber der Ausdruck "Angebliche Studien" stammt aus Informationen, die die USA vor etwa acht Jahren der IAEO überreicht haben - nämlich der Laptop, den Sie bereits erwähnt hatten.

Die USA haben also entweder einen Laptop oder vielleicht auch eine DVD bekommen. Jedenfalls waren eine Menge digitaler Dokumente in Form von Texten und anderem darauf. Und diese Informationen wurden vor langer langer Zeit an die IAEO gegeben. Und das nannte sich "Angebliche Studien".

Es ist dementsprechend keine Überraschung, dass es in dieser Akte seit 2003, als sie die bekommen haben, nichts Neues gegeben hat - handelt es sich doch um alte Informationen.

"Mögliche militärische Dimensionen" oder PMDs bedeutet, dass die IAEO sich hingesetzt und gesagt hat: "Nun, viele Leute haben uns gesagt, dass Iran ein militärisches Atomwaffenprogramm hat. Was sind die 'möglichen militärischen Dimensionen' des Atomprogramms?"

Das ist eine vernünftige Frage, die sich die IAEO stellt. Schließlich sind sie eine Verifizierungsorganisation, die versucht, die Verbreitung von Atomwaffen zu verhindern. Entsprechend würden sie gerne wissen, ob beispielsweise dieses große Anreicherungsprojekt, das wir in der Anreicherungsanlage bei Qum sehen, waffentechnischen Zwecken dient. Also werfen sie einen Blick auf die Aspekte – die möglichen Aspekte - dieses unbekannten Programms. Das ist an sich eine vernünftige Sache. Sobald sie aber aus ihrem technischen Beschäftigungsfeld hinaustreten [so wie nun geschehen, Anm. d. Red.], beginnen die Probleme.

Es wäre seitens der IAEO nicht unvernünftig, das zu tun, über irgendwelche Informationen zu stolpern oder diese gezielt selbst als Beweise zu ermitteln. Wenn es ein [militärisches, Anm. Red.] iranisches Programm gibt und sie finden es, dann soll es so sein. Das wäre eine gute Sache, dass sie tun könnten.

"Absolute Lügen"

Executive Intelligence Review: Zurück zu der Frage der Modalität. Wenn sie zu einer bestimmten Anlage gehen und nichts finden, könnte die IAEO nicht sagen, dass sie nichts gefunden hat. Das ruft wieder Irak in Erinnerung. Wir hatten Satellitenfotos über diese oder jene Anlage. Ich glaube, es waren einige Neokonservative und andere, die einen Krieg mit Irak wünschten, die annahmen, dass Irak niemals zustimmen würde, Inspektoren in ihr Land zurückkommen zu lassen. Und so galt es als sicher, jede mögliche Behauptung einfach mit dem Verweis auf Satellitenfotos aufzustellen. Aber als dann doch Inspektoren zu den Anlagen gingen, fanden sie nichts im Zusammenhang mit Massenvernichtungswaffen. Selbst dann nicht, als sie Bodenproben und andere Dinge untersuchten, die mit dem bloßen Auge nicht auffindbar sind.

Ist das auch in Bezug auf Iran geschehen, wo einige "Mögliche Militärische Dimensionen" nachgeprüft wurden und dann immer und immer wieder Untersuchungen notwendig waren?

Dr. Robert Kelley: Sie betrachten zwei sehr unterschiedliche Situationen. Ich war 2002 und 2003 Chef-Analyst für Irak, und wir hatten eine ganze Liste von Plätzen, von denen wir dachten, dass dort etwas geschehe. Als wir wieder in das Land gelassen wurden, sagten wir zu den Irakern, dass wir zu diesen Plätzen hin und einige Dinge überprüfen möchten. Die Iraker zeigten sich unglaublich kooperativ, aber der politisch korrekte Ton außerhalb des Iraks verlautbarte: "Oh nein, Irak behindert die Inspektionen" usw. usw.. Das ist eine absolute Lüge von Personen, die nicht im Lande gewesen sind. Die Iraker wussten, dass das ihre letzte Chance war, einen Krieg zu verhindern, und jedes Mal, wenn ich nach einer Sache fragte, die ich machen wollte, antworteten sie: "Gleich jetzt oder später?", "Komm, wir machen das", "Lassen Sie es uns hinter uns bringen", "Sie wollen mit der Person reden? Sie werden heute mit ihr reden", "Sie wollen an diesen Ort gehen? Wir bringen Sie jetzt dahin".

Und wir gingen an all jene Orte, und da war nichts.

Jetzt haben die im Falle Irans möglicherweise nichts zu verstecken. Es ist ein vollkommen anderes Problem, das Sie hier betrachten. Es gibt eine Menge verdächtiger Dinge, Sie nannten Satellitenbilder. Und man sagt sich: "Nun, da könnte etwas sein."

Ich denke, Iran ist in der Lage, Fragen zu beantworten. Sie beantworten Fragen über Dinge, bei denen sie wissen, dass sie nicht wahr sind, und sie haben eine schwere Zeit, zu beweisen, dass sie nicht stimmen. In anderen Fällen verstecken sie möglicherweise etwas, wir können es nicht sagen. Aber es ist eine ziemlich andere Situation, als die im Irak, wo wir wussten, dass da nichts ist.

Die Frage der Modalität ist dabei sehr wichtig, weil die IAEO wie verrückt mit Vorwürfen um sich wirft! Sie wissen schon: "Da passiert dies, und dort passiert das, und dahinten ist dieser große Zylinder." Und trotzdem schweigen sie einfach, wenn sich etwas als unwahr erwiesen hat.

Schauen Sie, Iran wird in diesem Fall sagen: "Wenn Ihr uns eine Tat unterstellt und wir beantworten Eure Fragen, dann müsst Ihr (öffentlich) äußern, dass Ihr uns eine Frage gestellt habt, auf die wir Euch eine zufriedenstellende Antwort gegeben haben."

Und genau das ist vor etwa dreieinhalb Jahren passiert. Man machte eine so genannte "Arbeitsplanübereinkunft" ("Agreed Work Plan", AWP), und eine der Punkte dieser AWP war, dass die IAEO etwa ein halbes Duzend Vorwürfe in Bezug auf Dinge hatte, von denen sie sagte, dass Iran diese tue. Und sie arbeiteten diese Punkte mit Iran ab, und am Ende der AWP hatte die IAEO alles auf diesem Plan abgehakt. Sie sagten: "Gut, das haben wir überprüft." [Solch eine Modalität, ohne die Schwächen von damals, möchte Iran nun hinsichtlich der Inspektion von Parchin, Anm. d. Red.]

Executive Intelligence Review: Ein Teil der AWP war ein 117-seitiges Dokument, welches der iranische Außenminister Ali Akbar Salehi vor der Veröffentlichung des November-Berichts 2011 erwähnt hatte. Er sagte, dass Iran bereits alle Fragen auf diesen 117 Seiten beantwortet hatte und dass die IAEO trotzdem nicht daran zu denken scheint, ihn zu akzeptieren.

Ich hatte eigentlich gehofft, eine Kopie dieses Berichts zu bekommen. Laut dem Pressebüro der IAEO ist dieser Bericht weder für die Öffentlichkeit noch für die Medien zugänglich. Mir wurde nicht einmal klar, ob die Mitgliedsstaaten der IAEO ihn gesehen haben. Es scheint ein wichtiges Dokument zu sein, das von professionellen und fachmännischen Kräften analysiert, überprüft, überschaut usw. werden kann, so dass es nicht mehr jenem unklaren und undurchsichtigen Prozess ausgesetzt ist.

Dr. Robert Kelley: In dieser Sache stimme ich mit Ihnen überein. Tatsächlich habe ich diesen Bericht nie gesehen. Ich würde ihn wirklich gerne sehen, weil ich denke, dass er extrem interessant ist. Ich vermute, dass die Iraner es aus ihrer Sicht extrem nützlich finden würden, ihn öffentlich zu machen. Jemand hat mir einmal gesagt, dass sie das würden. Aber ich vermute, dass der Bericht dennoch niemals ans Licht gekommen oder in Umlauf gebracht worden ist.

Ich habe mich da erst neulich darüber gewundert. Offensichtlich gab Iran der IAEO einen Brief - als Teil dieser so genannten gescheiterten Verhandlungen - und sagte "Das ist der nächste Schritt."

Ich denke, es wären die Iraner, welche diese Informationen veröffentlicht sehen müssten. Und deshalb bin ich den Iranern gegenüber in diesem Punkt sehr kritisch. Wenn sie tatsächlich solche Berichte schreiben und wirklich auch dahinter stehen, dann sollten sie diese einem größeren Publikum zur Verfügung stellen, so dass ihr Standpunkt gegenüber dem der IAEO deutlicher wird. Ich bemerkte Ihnen gegenüber schon einmal, dass der iranische Botschafter - sobald Sie ihn einmal auf gesellschaftlichen Veranstaltungen oder ähnlichem begegnen - die IAEO-Inspektionen in Parchin Ihnen gegenüber eins zu eins kritisieren und negativ kommentieren wird. Aber sie scheinen diesen Weg nicht weiter nach draußen zu verfolgen, um diese Äußerungen öffentlich zu machen. Klar, gewissermaßen sind die bereits öffentlich, er macht die Äußerungen ja auf einer öffentlichen Veranstaltung. Aber sie sind wirklich jämmerlich in Sachen PR, ich fürchte das ist das, was ich meine.

Kein Nachlassen auf dem Weg zum Krieg

Executive Intelligence Review: Unter Berücksichtigung von all dem habe ich noch zwei weitere Fragen. Die Erste bezieht sich auf den National Intelligente Estimate [NIE-Bericht, die maßgebliche Einschätzung der 16 US-Geheimdienste, Anm d. Red.]. Als 2007 eine als NIE-Bericht eingestufte Version zu Iran herausgegeben wurde, gab es eine so starke Reaktion der Öffentlichkeit, der Presse usw. darauf, dass der Marsch in Richtung Krieg quasi gestoppt wurde.

Dr. Robert Kelley: Richtig.

Executive Intelligence Review: Nichts dergleichen ist mit dem NIE-Bericht von 2010 geschehen. Es gibt zwar keine öffentlich freigegebene Version, aber aus den kleinen Informationsbruchstücken, die kommentiert wurden und aus den Berichten, die den dazu berechtigten Kongressmitgliedern gegeben wurden, geht hervor, dass die Erkenntnisse von 2007, denen zufolge das Waffenprogramm beendet wurde, bestätigt werden. Und diese Erkenntnis wird durch Aussagen des Generals James Clapper (Direktor der Nationalen Nachrichtendienste), Leon Panettas (US-Verteidigungsminister) und von anderen Kongressmitgliedern bestätigt.

Dr. Robert Kelley: Ja, erst in den letzten Tagen.

Executive Intelligence Review: Und dennoch gibt es kein Nachlassen auf dem Weg zum Krieg […]

Und so scheint der zweite NIE-Bericht von 2010 begraben. Aber auch der IAEO-Bericht - die zwei IAEO-Berichte - haben einen großen Teil zu dieser Kriegslüsternheit beigetragen. Gab es ein Umgehen, möglicherweise in Richtung einiger Kanäle, die Informationen außerhalb der USA erhalten? Ich bin mir sicher, dass es Quellen gibt, die behaupten, Iran habe dieses oder jenes, während andere Agenturen dem widersprachen. Und so ging man zu jemandem, der dem nicht widersprechen würde. Halten Sie das für möglich?

Dr. Robert Kelley: Sehr.

Executive Intelligence Review: Denken Sie, dass dieser jemand die IAEO ist?

Dr. Robert Kelley: Richtig. Sie haben vorher im Interview auf die Tatsache Bezug genommen, dass die US-Regierung der IAEO die "Niger-Dokumente" gegeben hat. Das war so ein Umgehen zu der Zeit, weil es innerhalb der Regierung auch Diskussionen darüber gegeben hat, ob die "Niger-Dokumente" authentisch sind. Und die Gruppe, die glaubte, dass sie es nicht sind, nutzte die IAEO, um Klarheit zu schaffen. Es hat also schon einmal so einen Fall gegeben. Nach dem Motto: Gib es jemanden außerhalb der Regierung, und lass sie darüber sprechen.

Eine Sache, die man jetzt sicher deutlich sieht, ist, dass es zwei Gruppen innerhalb der US-Regierung geben muss. Da ist eine sehr sichtbare, die die NIE-Berichte publiziert, (und dazu gehört) der Verteidigungsminister, der sagt, dass er nicht glaube, dass das Atomwaffenprogramm heute noch aktiv ist. Ich will ihm keine Wörter in den Mund legen, aber Sie haben gehört, was er gesagt hat, nämlich dass die Iraner noch keine Entscheidung getroffen haben, weiter (mit einem Waffenprogramm) fortzufahren oder so ähnlich.

Und dann gibt es noch Leute, die Druck auf die IAEO machen, weitaus aktiver zu werden. Ich versuche, es richtig zu formulieren… Sie soll aktiver und polarisierter werden und das verkünden, was sie von ihnen hören wollen. Also geschieht da etwas, und es gibt einen Umschwung innerhalb der IAEO. In diesem Fall wird sie als ein Sprachrohr benutzt. Ich glaube, dass das die IAEO unter El-Baradei nicht gemacht hätte. Ich glaube, dass die IAEO das unter Hans Blix definitiv nicht gemacht hätte. Sie hätte versucht, sich neutraler zu verhalten. Und ich denke, dass sie gemäß dem guten Urteil gehandelt hätten, welches Blix und El-Baradei benutzten, wenn sie sagten: „Wir sind Juristen, und wir wollen, dass unsere Beweise robust sind und öffentlich gemacht werden….“ Und Blix sagte letzte Woche das Gleiche, als wir mit ihm im Capitol Hill waren, nämlich, dass man sehr vorsichtig mit Informationen umgehen müsse und dass man sie überprüfen können müsse.

Executive Intelligence Review: Die Frage der Authentizität und danach, ob die IAEO Informationen annimmt oder zurückweist, könnte eine Frage über Leben und Tod werden. Gab es also einen Präzedenzfall in Bezug auf eine Sache, die Sie vorhin genannt haben, einen Punkt, den ich für extrem wichtig halte, eine Untersuchung des IAEO-Gouverneursrat darüber, wie diese Berichte zusammengestellt wurden? Und wie wahrscheinlich ist es, dass so etwas passieren wird?

Dr. Robert Kelley: Ich weiß von keinem Präzedenzfall in dieser Sache. Der Gouverneursrat zeigt sich für gewöhnlich nicht allzu aktiv in solchen Sachen. Ob es wahrscheinlich ist? Es wird gewiss nicht von irgendeinem der westlichen Staaten gefördert werden, mit denen ich sehr vertraut bin. Die Bewegung der Blockfreien wird derweil stärker und stärker im Gouverneursrat. Vielleicht machen sie Druck in eine ähnliche Richtung.

Transparenz ist auf beiden Seiten notwendig

Executive Intelligence Review: Was wäre Ihrer Meinung nach ein durchführbares Ergebnis der G5+1-Gespräche (die fünf ständigen UN-Sicherheitsratsmitglieder plus Deutschland), um den Krieg zu verhindern? Vorausgesetzt die Gespräche werden nicht Opfer von den negativen Spannungen, die aus den IAEO-Berichten resultieren.

Dr. Robert Kelley: Ich bin Ingenieur im Nuklearbereich und kein Politikwissenschaftler. Aber mir scheint es, als gäbe es von allen Seiten viele positive Stimmen. Hans Blix sagt etwa, dass wir vertrauensvolle Verhandlungen mit den Iranern brauchen. Es muss eine Art Belohnung für gutes Verhalten geben. Mehr Transparenz und Offenheit ist notwendig. Es muss Gespräche geben, bei denen, für den Fall, dass Iran zustimmt, etwas in verifizierbarer Art und Weise zu erfüllen, der Westen sagt: „Na gut, wir werden von dieser Forderung oder dieser Sanktion, die wir machen, absehen“. Das ist ein sehr wichtiger Punkt.

Ein weiterer Punkt ist, dass Iran meiner Meinung nach wirklich aus dem Nutzen schlagen sollte, was im Irak geschehen ist. Die Iraker haben gelernt, sehr transparent zu sein. Und die Iraker sagten, dass sie bei jeglicher begründeter Anfrage mitmachen würden. Wenn die Iraner nichts (Illegales) in Parchin machen, dann sollten sie diesen Modalitätsplan übernehmen und sagen: „Lasst uns die Konditionen für das, was Ihr vorhabt, niederschreiben. Wir möchten das wirklich machen. Wir wissen ja, dass Ihr nichts finden werdet. Aber wenn Ihr fertig seid, dann sagt Ihr den Leuten, was Ihr nicht gefunden habt. Lasst diese Angelegenheit fallen und erklärt, dass die Sache ein für allemal abgeschlossen ist.“

Es geht also um ein bisschen mehr Offenheit auf beiden Seiten. Die IAEO sollte mehr Informationen nach Iran bringen und sie ihnen dort direkt zeigen. Wir haben die Fälschungen in Irak nachgewiesen, indem die Iraker uns geholfen haben, diese auseinander zu nehmen. Und wir nahmen sie auseinander und sagten: „Werft einen Blick hierauf und darauf“. Und so konnte (unsererseits) unabhängig verifiziert werden, dass es Fälschungen sind.

Und schließlich glaube ich noch, dass die IAEO transparenter mit der Öffentlichkeit umgehen muss. Sie müssen Informationen öffentlich machen, die von Experten und anderen da draußen überprüft und in kollegialer Manier bearbeitet werden können. Momentan läuft das nicht so. Ich habe ja einige Dinge im IAEO-Bericht kritisiert, und die Antwort war einfach nur Friedhofsruhe. Sie hoffen einfach, dass diese Vorwürfe von alleine verschwinden werden. Und wenn ich selbst falsch liegen sollte, dann sollte ich ebenfalls zur Verantwortung gezogen werden. Wenn ich sage, diese Informationen sehen für mich nicht echt aus, und sie widersprechen (mir) mit: „Nun, sie sind es aber, weil…“

Executive Intelligence Review: Vielen Dank Robert. Sollte es zukünftig eine Untersuchung geben, dann liefern viele der Aspekte, die Sie detailliert genannt haben, gute Orientierungspunkte für diese Untersuchung. Das gilt nicht nur für die IAEO, sondern auch für die UNO und die US-Regierung. Ich denke, dass Untersuchungsausschüsse vor Kriegen und nicht danach stattfinden sollten.

Dr. Robert Kelley: Ja, ich denke, dass ich dem sicher zustimmen würde.


Erstmalig veröffentlicht bei Executive Intelligence Review am 09. März 2012. Übersetzt von Leo Schmitt.


Hewlett29-03-13

Ein ausgezeichnetes Interview! Vielen Dank! Sehr zu empfehlen!





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