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28.06.2011 Übersetzt von Fatima Radjaie

Arabische Revolutionen: Spaltung zwischen den USA und Saudi-Arabien


USA und Saudi Arabien auf Weltkarte

Die Emanzipation der saudischen Außenpolitik - weg von den USA- impliziert gravierende strategische Verschiebungen im Nahen Osten.

Nawaf Obaid ist wissenschaftlicher Mitarbeiter (Senior Fellow) am König-Faisal-Zentrum für Forschung und Islamische Studien in Riad. Am 16. Mai 2011 erschien in der „Washington Post“ sein ausführlicher Kommentar „Amid the Arab Spring, a U.S.-Saudi split“ über das neue außenpolitische Selbstbewusstsein Saudi-Arabiens und die nach saudischer Leseart gescheiterte US-Politik im Hinblick auf die jüngsten Entwicklungen im Nahen und Mittleren Osten. Der Artikel wird hier in voller Länge in deutscher Sprache wiedergegeben:

In den US-Saudischen Beziehungen ist ein bahnbrechendes Ereignis eingetreten. Trotz erheblichen Drucks von Seiten der Obama-Administration, sich nicht einzumischen,  sandten die Saudischen Führer im März Truppen nach Manama, um die Monarchie in Bahrain zu verteidigen und die Unruhen, die das Land seit Februar ergriffen haben, niederzuschlagen. Seit mehr als 60 Jahren ist Saudi-Arabien an ein ungeschriebenes Handelsgesetz gebunden: Öl für Sicherheit. Riad hat oft dagegen protestiert, letztlich aber doch in die seiner Meinung nach fehlgeleiteten amerikanischen Taktiken eingewilligt. Aber Amerikas Fehltritte in der Region seit dem 11. September, dessen schlecht durchdachte Reaktion auf die arabischen Protestbewegungen sowie die gewissenlose Ablehnung, Israel für seinen illegalen Siedlungsbau zur Rechenschaft zu ziehen, haben dieses Arrangement zunichte gemacht. Bei der Neuausrichtung der Partnerschaft strebt Riad eine weitaus selbstbewusstere Außenpolitik an, die zuweilen in Widerspruch mit amerikanischen Interessen gerät.

Die Gründe für diesen Wechsel sind die wachsende iranische Einflussnahme in der Region sowie die kontraproduktiven Strategien, die die USA hier seit dem 11. September verfolgt haben. Der folgenschwerste Fehltritt mag dabei die Invasion im Irak gewesen sein, die zu einem gewaltigen Verlust an Menschenleben geführt hat und Iran die Erweiterung seiner Einflusssphäre ermöglicht hat. Jahrelang hat Irans Führung beabsichtigt, Konflikte zu schüren, um seine geopolitischen Ambitionen voranzubringen. Teheran hat die Hamas und Hisbollah lange finanziell unterstützt; in jüngster Zeit hat sich die Reichweite der versuchten Beeinflussung auf die Angelegenheiten arabischer Staaten vom Jemen bis Marokko ausgedehnt. In diesem Monat hat der Oberbefehlshaber der iranischen Streitkräfte, General Hassan Firouzabadi, Riad wegen der Intervention in Bahrain scharf kritisiert und behauptet, dieser Akt würde massive innere Aufstände im Land entfachen.

Solche Bemerkungen basieren mehr auf Wunschdenken als auf Fakten, aber Irans Bemühungen, seine Nachbarländer zu destabilisieren, sind unermüdlich. Während Riad einen Kalten Krieg mit Teheran führt, hat sich Washington in den letzten Monaten als unwilliger und unzuverlässiger Partner gegen diese Bedrohung gezeigt. Die sich abzeichnende politische Realität ist eine arabische Welt unter saudischer Führung, die der Aggression Irans und seiner nicht-staatlichen Vertreter gegenübersteht.

Saudi-Arabien wird es nicht hinnehmen, dass die politischen Unruhen in der Region die arabischen Monarchien - die Golfstaaten, Jordanien und Marokko - destabilisieren. Im Jemen bestehen die Saudis auf einem geordneten Machtübergang und einem würdevollen Abgang für Präsident Ali Abdullah Saleh (eine Gefälligkeit, die Hosni Mubarak nicht gewährt wurde, obwohl der frühere ägyptische Präsident über viele Jahre hinweg ein enger Verbündeter der USA war). Um diese Übergabe zu erleichtern, führt Riad diplomatische Bemühungen unter der Schirmherrschaft des Golfkooperationsrates, dem sechs Staaten angehören. Im Irak wird die saudische Regierung auch weiterhin eine harte Linie gegenüber der Regierung von Maliki, die sie als eine iranische Marionettenregierung betrachtet, verfolgen. Im Libanon wird Saudi-Arabien agieren, um die wachsende Macht der Hisbollah unter Kontrolle zu halten und sicherzustellen, dass dieser iranische Stellvertreter nicht das politische Leben im Land kontrolliert. Was den breit gefächerten Aufruhr in Syrien betrifft, so arbeiten die Saudis darauf hin, einen Übergang zu einer Ära nach Assad - so friedlich und frei von iranischer Einmischung wie möglich - zu ermöglichen.

In Bezug auf Israel hält Riad daran fest, dass eine sofortige Vereinbarung, basierend auf König Abdullahs vorgelegtem Friedensplan, in Kraft treten muss. Diese schließt einen palästinensischen Staat mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt ein. Die Vereinigten Staaten haben all ihre Glaubwürdigkeit in dieser Frage verloren, nachdem sie mit ihrer alleinigen Gegenstimme im UNO-Sicherheitsrat verhindert haben, dass Israel für seinen illegalen Siedlungsbau getadelt wird ; sie können nicht mehr länger  als objektiver Vermittler agieren. Dieser Akt stellte einen Wendepunkt in den US-Saudischen Beziehungen dar und sorgt dafür, dass die saudischen Führer nicht mehr auf weitere Zugeständnisse von Seiten der Palästinenser drängen werden - trotz amerikanischen Drucks.

Saudi-Arabien bleibt stark und stabil und lässt mit seiner gefestigten Außenpolitik seine Muskeln spielen. In spiritueller Hinsicht spielt das Königreich eine einzigartige Rolle für die 1,2 Milliarden Muslime in der Welt - von denen mehr als 1 Milliarde Sunniten sind: als Geburtsstätte des Islams und Heimat der zwei heiligsten Städte. In politischer Hinsicht genießen seine Führer breite Unterstützung von innen, und ein zunehmender Nationalismus hat das Land mit den historisch verschiedenen Stämmen enger zusammenwachsen lassen. Dies ist im Wesentlichen der Grund dafür, dass ausgeprägte Proteste, wie sie von westlichen Medien im März vielfach vorausgesagt wurden, nicht zustande kamen. Als einzige Energie-Supermacht der Welt und als de facto-Zentralbanker der globalen Energiemärkte, ist Riad das ökonomische Kraftwerk im Nahen und Mittleren Osten, das 25 Prozent des gesamten Bruttoinlandsproduktes der arabischen Welt repräsentiert. Das Königreich hat mehr als 550 Milliarden Dollar an Währungsreserven angehäuft und gibt mehr als 150 Milliarden Dollar zur Verbesserung der Infrastruktur, des öffentlichen Bildungswesens, der sozialen Einrichtungen und der Gesundheitsvorsorge aus.

Zur Abwehr der von Iran und transnationalen Netzwerken ausgehenden Bedrohungen bewilligt die saudische Führung mehr als 100 Milliarden Dollar an zusätzlichen Militärausgaben zur Modernisierung der Bodentruppen, der Aufrüstung der Flottenkapazitäten und mehr. Das Königreich verdoppelt seine Anzahl an hochwertigen Kampfflugzeugen und erhöht die Anzahl an Sicherheitskräften im Innenministerium um weitere 60.000. Es sind Pläne im Gange, ein "Spezialkräfte-Kommando" nach amerikanischem Vorbild aufzustellen, um die verschiedenen Spezialkräfte des Königreiches im Bedarfsfall für rasche Auslandseinsätze zu vereinheitlichen.

Saudi-Arabien hat den Willen und die Mittel dazu, seinen erweiterten globalen Verpflichtungen nachzukommen. In einigen Punkten - wie die Terrorbekämpfung oder Bemühungen zur Bekämpfung der Geldwäsche - werden die Saudis auch weiterhin ein starker Partner der USA sein. In Bereichen, bei denen die nationale Sicherheit der Saudis oder strategische Interessen auf dem Spiel stehen, wird das Königreich jedoch seine eigene Agenda verfolgen. Mit Iran, der unermüdlich darauf hin arbeitet, die Region zu dominieren, der Muslimbruderschaft, die in Ägypten Zulauf erhält, und Unruhen an fast jeder Grenze steht einfach zu viel auf dem Spiel für das Königreich, um sich auf eine in Washington geschriebene Sicherheitspolitik zu verlassen, die meistens fehlgeschlagen ist und Instabilität verbreitet hat. Die besonderen Beziehungen mögen nie mehr die selben sein, aber aus dieser Umwandlung kann ein stabilerer und sicherer Naher und Mittlerer Osten geboren werden.


T.Berger28-06-11

Ich finde, dass der Herr Nawaf Obaid gelinde gesagt ein sehr aufgeblasenes Bild von den saudi Araber nach Außen projezieren möchte.

Deutschland bezahlt über 150 Milliarden Euro allein für soziales, die Araber sollten erst das mal nach machen bevor von einem Wüsten- Emperium zu träumen.

Le Mec28-06-11

Das ist korrekt, Saudi Arabien bläst sich da ganz schön auf nachdem es mittlerweile nur so vollgepumpt ist mit US-amerikanischen Waffen. Andererseits glaube ich auch nicht, dass es hier einen wirklichen Interessenkonflikt zwischen Saudi Arabien und den USA gegeben hat. Die USA mussten irgendetwas gegen die Saudische Intervention in Bahrain sagen, ganz einfach um das letzte Fünkchen Glaubwürdigkeit zu behalten, das sie noch besitzten. Stillschweigend war der Schritt Riyads ganz im Sinne der Amis.

m merk28-06-11

abgedruckt in der „Washington Post“ - klingt ehrlich wie ein Bittgebet an den großen Bruder. Mehr Selbsterniedrigung und Versklavung gab es nie. Dabei geht es doch nur um die Herzen ...
. Aufschlussreich, dass man jetzt schon nach jedem Strohhalm greift, um seinen Palast behalten zu können.

klaus_weiss28-06-11

100.000.000.000 Dollar zur Abwehr? Ein guter Witz. Schade, daß der liebe Gott Amerikas Öl in den schiitischen Provinzen des sunnitischen Saudi-Arabien vergraben hat.

Jahan-Ara28-06-11

Ich als Iraner begrüße die Ausführungen des Herrn "Wissenschaftlers" sehr (wegen ihrer Falschheit).
Bei einer Bevölkerung von ca. 20 Mio Einwohnern und der vehementen miltärischen Abhängigkeit von den USA (die der Herr Wissenschaftler aufgelöst sehen möchte) würde sich für mich an erster Stelle nicht die sinnlose projektion militärischer MAcht nach außen stellen, sondern zunächst der Aufbau einer landesinternen Industrie. Denn was der Herr Wissenschaftler noch nicht ausreichend eruiert hat ist die Tatsache, dass Irans Machtprojektion in der Region die Militärische Dimension bei weitem Übersteigt. Es ist vor allem die Existenz einer Industrie- und Forschungslandschaft im Inland, die den Iran so sehr von Saudi-Arabien unterscheidet (exemplarisch hierfür ist interessanter Weise der Herr Wissenschaftler selbst).
Die geforderte Unabhängigkeit von den USA ist insofern unrealistisch, da der Einsatz der Öl-Waffe weder aus Sicht der Saudis noch aus Sicht der USA eine reale Option darstellt. Auch der Wert der angehäuften Devisen wird hierdurch in Frage gestellt, da diese durch den Einsatz der Öl-Waffe ins bodenlose abstürzen würden.
Kurzum Saudi-Arabien ist auf Grund seiner engen Verflechtung mit der schwächelnden Supermacht USA und seiner wenig entwickelten (wenig entwicklungswürdigen) und wenig diversifizierten Wirtschaft (man versucht Geld durch Perlenzüchtung zu machen) nicht als aufstrebende Regionalmacht zu begreifen sondern vielmehr als Goldgrube die früher oder später erschöpft und somit uninteressant sein wird.
Um die regionale Hegemonie werden viel eher Staaten wie der Iran, die Türkei oder auch (falls konsolidierbar) Agypten streiten.

Le Mec29-06-11

Guter Beitrag Jahan-Ara

Thomas Esseling01-07-11

Abgesehen von den oben ausgeführten Einschränkungen stellt dieser Artikel doch die Realität völlig auf den Kopf. Die Taliban sind ideologisch und finanziell ein saudisches Produkt und standen und stehen für Terror nach innen und außen, während die Hisbollah angetreten war Libanon von der israelischen Okkupation zu befreien, wer destabilisiert hier also die Region und unterstützt den Terror.
Ich würde auch gern mal einen Kommentar eines saudischen Schiiten zu den Floskeln bei uns gehts allen gut und das Regime genießt allseitige Unterstützung lesen.
Es geht wohl auch darum ein Regime zu verteidigen, das auch aus tausenden von vollgefressenen Prinzen besteht, die sich einen feuchten Kehricht um die intolerante Ideologie des wahabitischen Islams scheren, mit dem sie die halbe Welt destabilisieren.





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