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06.12.2010 Stephanie Johnson

Interview: Nahost Experte Dr. Rainer Hermann über Iran und die Golfstaaten


Dr. Rainer Hermann

Dr. Rainer Hermann

Dr. phil. Rainer Hermann, geboren 1956, Islamwissenschaftler und Diplom-Volkswirt, ist Mitglied der Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und berichtet seit 1996 aus dem Nahen Osten. Seit Oktober 2008 Übersiedlung nach Abu Dhabi, um den raschen Wandel der Golfstaaten aus der Nähe zu beobachten. Zuvor war Hermann als Korrespondent achtzehn Jahre lang in Istanbul tätig. Er ist Autor des Buches „Wohin geht die türkische Gesellschaft? Kulturkampf in der Türkei“ (München 2008). Im September letzten Jahres erschien bei der Zürcher Vontobel-Stiftung Hermanns 128-seitiges Essay „Krisenregion Nahost“, das dort kostenfrei zu bestellen ist. Sein nächstes Buch „Die Golfstaaten: Wohin geht das neue Arabien?“ wird voraussichtlich im Spätsommer 2011 im Deutschen Taschenbuch Verlag (dtv) erscheinen.

Im Gespräch mit Irananders diskutiert Dr. Rainer Hermann u. a. über die Zukunft der G5+1-Verhandlungen mit dem Iran, über die Demokratiefähigkeiten der Golfstaaten sowie über die Integrationsdebatte in Europa.

Irananders: Mit Spannung werden die G5+1-Gespräche erwartet. Diesmal sollte der Austragungsort nach iranischen Vorstellungen nicht wie üblich in Genf sein, sondern in der Türkei. Kann man dies als politisches Signal verstehen?

Dr. Rainer Hermann: Es wird nicht die Türkei, sondern Wien oder Genf. Die Türkei spielt in dem Prozess keine Rolle.

Irananders: Einigen Meldungen zufolge bereiten die USA ein weiteres Angebot über den Austausch von Uran vor. Was macht die US-Administration optimistisch, dass die iranische Führung diesmal die Bedingungen erfüllen wird, die Washington stellen wird?

Dr. Rainer Hermann: Die früheren US-Regierungen haben die Gelegenheit verpasst einen solches Angebot Iran zu unterbreiten, welches Teheran vielleicht angenommen hätte. Iran ist mit der Anreicherung von Uran inzwischen so weit, dass es den atomaren Kreislauf nun selbst beherrschen will und ihn auch beherrscht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Washington ein Angebot vorlegen wird, das Iran zur Aufgabe der Anreicherung veranlasst, und auch nicht, dass Iran in der jetzigen Situation zu einem Verzicht auf die Anreicherung bereit ist. Vergessen wir nicht, dass Revolutionsführer Ayatollah Khamenei erklärt hat, dass es zu seinen Lebzeiten keine Normalisierung mit den USA geben werde.

Irananders: Was ist Ihre langfristige Prognose? Ist eine Lösung insgesamt noch vorstellbar oder wird sich die Sanktionsschraube unaufhaltsam weiter drehen?

Dr. Rainer Hermann: Seit sieben Jahren sprechen und verhandeln die beiden Seiten. Es ist nicht erkennbar, weshalb ausgerechnet ein Durchbruch erfolgen sollte. Zum einen sind die Entscheidungsstrukturen in Iran zu kompliziert, um eine rasche Änderung der Politik herbeizuführen. Zum anderen sind die beiden Positionen sind nicht vereinbar: Iran will atomwaffenfähig sein, der Westen und viele andere Länder wollen das verhindern. Sanktionen wirken aber, vor allem die vierte Runde vom Juni 2010. Zudem hat das Computervirus Stuxnet Iran getroffen, so dass die Anreicherung von Uran vorübergehend eingestellt werden musste. Das iranische Regime bewegt sich dennoch nicht. Iran verliert aber Rückhalt in den Ländern, auf die es bisher zählen konnte. Wenn die Außenminister Chinas und Indiens Iran auffordern, endlich die Zweifel an seinem Atomprogramm zu beseitigen, müsste das Teheran zu denken geben.

Irananders: Iran hielt einen äußerst blutigen Krieg mit irreparablen Sachschäden in Milliardenhöhe und hunderttausenden Toden gegen den Irak 8 Jahre lang aus. Damals waren West und Ost auf Seiten des Iraks. Einen starken Widerstandsgeist hat Iran damit bereits bewiesen. Und da das Atomprogramm zum Nationalstolz der Iraner gehört und darüber ein nationaler Konsens - sogar bei der inner-iranischen Opposition um Moussavi und Karrubi - herrscht, ist nicht zu erwarten, dass der Iran so leicht einknicken wird. Wie lange schätzen Sie wird der Iran sein Tempo halten können?

Dr. Rainer Hermann: Iran arbeitet mal schneller, mal langsamer an seinem Atomprogramm. Die Sanktionen haben es gewiss verlangsamt, da Beschaffungen schwieriger geworden sind. Die Attentate auf Atomforscher halten den Fortschritt in einigen Bereichen sicher auf, verhärten aber die Position Teherans. Ich stimme Ihnen zu: Das Atomprogramm ist der einzige Bereich, in dem das iranische Regime auf einen Schulterschluss mit der Opposition und nahezu der gesamten Bevölkerung setzen kann. Mit einer Einschränkung: Die Opposition distanziert sich eindeutig von der Idee, die atomare Technologie auch militärisch zu nutzen. Das lehnt sie klar ab, während die jetzigen Machthaber sehr viele Fragen offen lassen und damit zu einer begründeten Skepsis einladen. Iran bleibt aber beim jetzigen Stand der Dinge zur Fortsetzung seines Kurses keine Alternative. Ein Eingehen auf Kompromisse würde als Einknicken vor dem Druck von außen interpretiert werden. Dabei soll das Beharren auf dem Atomprogramm nach innen ja signalisieren, dass Iran unabhängig ist und sich nicht mehr dem Ausland beugt. Zwei Jahrhunderte war Iran von ausländischen Mächten, allen voran von Großbritannien, entmündigt und gedemütigt worden. Delikat ist indessen, dass es ohne den vom CIA und London initiierten Sturz von Ministerpräsident Mossadegh 1953 heute mit großer Wahrscheinlichkeit keine Islamische Republik gäbe. Die Islamische Republik profitierte von den ausländischen Einmischungen, und sie definiert sich weiter über die gespannten Beziehungen zum westlichen Ausland.  

Irananders: Halten Sie es für möglich, dass die Sanktionen gegen den Iran die Demokratisierungsbemühungen dort unterstützen können?

Dr. Rainer Hermann: Die Sanktionen sind bestenfalls ein indirekter Hebel für die Demokratisierungsbemühungen. Die Islamische Republik wird zu Ende gehen, wenn sie wie die DDR aus wirtschaftlichen Gründen implodiert. Das tritt dann ein, wenn die Fehlleitung der Ressourcen ein Ausmaß erreicht hat, das auch die Öleinnahmen nicht mehr ausgleichen können. Ursache der Fehlleitung ist die politische und wirtschaftliche Macht der Pasdaran, die sich nicht dem Wettbewerb stellen müssen und sich daher eine große Ineffizienz leisten können. Der Anteil der privaten Unternehmen an der iranischen Wirtschaftsleistung liegt aufgrund der gravierenden Wettbewerbsverzerrungen bei weniger als 20 Prozent.

Irananders: Die Opposition um Moussavi und Karrubi lehnt die Sanktionen jedoch als kontraproduktiv ab. Wie kann der Westen diesen Widerspruch auflösen und die Herzen der Oppositionsführer und -anhänger im Iran gewinnen?

Dr. Rainer Hermann: Die Sanktionen gibt es ja nur, weil sich die Staatengemeinschaft auf keine andere Maßnahmen einigen kann. Kontraproduktiv sind die Sanktionen nicht. Denn sie zeigen Iran, dass es isoliert ist, wirtschaftlich wie politisch, und das ähnelt den Sanktionen gegen das frühere Apartheidregime in Südafrika. Die Oppositionsführer begehen eine Gratwanderung:  Sie wollen einen fundamentalen Wandel der Republik, ohne sie aber in Frage zu stellen; sie sind aber ratlos, wie das geschehen soll. Wenn selbst 3 Millionen Demonstrierende am 15. Juni 2009 (bei der mutmaßlichen Wahlfälschung, Anm. d. Red.) nicht ausreichen, um einen Wandel einzuleiten, ist die kritische Masse für einen Wandel kaum zu erreichen.

Irananders: Seit dem US-Einmarsch im Irak erkennt man eine Machtverschiebung im Mittleren Osten zu Gunsten der Regionalstaaten wie Iran und die Türkei. Wie ist diese Entwicklung zu stoppen oder gibt es nur noch die Möglichkeit einer klugen Einbindungspolitik?

Dr. Rainer Hermann: Der Nahe und Mittlere Osten erlebt gerade seinen Kalten Krieg. Dabei geht es um die Rolle und Einmischung Irans. Die führungsschwachen arabischen Staaten greifen auf die Türkei zurück, um den Einfluss des schiitischen Irans, den Teheran über seine Stellvertreter in ihrer sunnitischen Welt aufbaut, einzudämmen. Das arabische Misstrauen gegenüber Iran ist immens, und es geht lange in die Geschichte zurück. Die als aggressiv und arrogant empfundene Außenpolitik der militärischen Führungsschicht in Teheran macht es für die Araber unmöglich, sich auf einen Deal mit Iran einzulassen. Der iranische Einfluss scheint mit dem Aufstieg der Türkei Erdogans zwar seinen Zenit überschritten zu haben. Der Kalte Krieg steht aber erst am Anfang.

Irananders: Welche Rolle spielt Israel in diesem Szenario?

Dr. Rainer Hermann: Der ungelöste Konflikt um Palästina spielt radikalen Staaten wie Iran in die Hände. Denn Iran greift Israel ja nur an, um sich eine Tür in der arabischen Welt zu öffnen. In Iran interessiert das Thema kaum einen. Israel selbst leitet jedoch Wasser auf die Mühlen seiner Feinde, indem es seine Kolonien - andere nennen es „Siedlungen“ - in den besetzten arabischen Gebieten Schritt für Schritt ausweitet. Vom ursprünglichen Mandatsgebiet Palästina sind für die Palästinenser noch 11 Prozent übrig, und das in einem unzusammenhängenden Archipel. Ein Staat Palästina kann da nicht mehr gegründet werden. Solange nicht beide Seiten zu einem Kompromiss bereit sind, ist der Konflikt nicht lösbar, zumal beide Seiten auch religiös argumentieren und damit eine pragmatische Lösung ausschließen. Israel ist über das iranische Atomprogramm so unglücklich aber nicht, denn es legitimiert bei vielen Beobachtern die atomare Bewaffnung Israels. Ferner begründen viele arabischen Machthaber ihre autoritären Staaten mit der Existenz des Staates Israel und dem Kampf gegen diesen.  

Irananders: Sie leben seit einigen Jahren in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Nach den jüngsten US-Amerikanischen Umfragen in der arabischen Welt ist die Bevölkerung der Emirate die Iran-kritischste. Zugleich ist Dubai für die iranische Geschäftswelt ein Tor zur Welt. Wie steht es derzeit mit den iranisch-emiratischen Handelsbeziehungen in Anbetracht der US-Einflussnahme, die Geschäftsbeziehungen mit Teheran einzuschränken?

Dr. Rainer Hermann: Abu Dhabi spielt unter den Golfanrainern stets am meisten die Rolle des Falken. Ein Grund dafür ist, dass es außenpolitisch die Interessen der Vereinigten Arabischen Emiraten wahrnimmt und daher auf die Rückgabe der drei Inseln pocht, die Iran seit 30. November 1971 besetzt hält. Iran argumentiert, diese Sichtweise sei ein "Missverständnis" und weigert sich, das Thema überhaupt zu erörtern, was in Abu Dhabi den Argwohn gegen Iran nur noch steigert. Seit dem „Bail out“ Abu Dhabis für Dubai, muss sich Dubai außenwirtschaftspolitisch der Führungsrolle Abu Dhabis fügen und seinen Handel mit Iran einschränken. Der (Re-)Export aus den Vereinigten Arabischen Emiraten nach Iran ging von ca. 12 Milliarden Dollar im Rekordjahr 2008 auf voraussichtlich weniger als 6 Milliarden Dollar 2010 zurück. Entscheidend war, dass auch emiratische Banken in Dubai keine iranischen Akkreditive mehr annehmen. Der Iranhandel Dubais ist damit zusammengebrochen.

Irananders: Können andere Anrainerstaaten wie Katar und Oman einspringen, die mit Iran traditionell gute Beziehungen pflegen? Oder gar die Türkei, die kürzlich bei der NATO dafür gesorgt hat, dass Iran im Zusammenhang mit den NATO-Abwehrraketen nicht als Bedrohung genannt wird?

Dr. Rainer Hermann: Die Türkei und Oman werden nur bedingt einspringen, weil sie keine klassischen Exporteure für Iran sind und sich ab einem bestimmten Punkt fragen müssen, ob ihnen die Beziehungen zum Westen wichtiger sind als die zu Iran. Die Türkei, die sich immer mehr als Handelsnation begreift, ergreift zwar häufig das Wort für Iran, schert aber nicht aus den UN-Sanktionen gegen Iran aus.  

Irananders: Anders als in Iran, gibt es in den Emiraten keine Wahlen und andere Möglichkeiten der politischen Partizipation. Andererseits erfährt man kaum von Verhaftungen von Oppositionellen und Medienzensur. Gibt es in den Emiraten überhaupt eine Opposition?

Dr. Rainer Hermann: Zunächst sind Wahlen in Iran keine wirklichen Wahlen, da die Kandidaten vorher gesiebt werden und auch die Pasdaran keinen Zweifel daran lassen, eine "samtene Revolution" durch Wahlen mit ihren Waffen zu verhindern. Andererseits gibt es in den Emiraten Möglichkeiten der Partizipation. Sie sind informell und finden in den „Majalis“ - Plural von Majlis - statt, dem öffentlichen Raum in den Golfstaaten. Aufgrund der starken mündlichen Tradition in diesen Gesellschaften und aufgrund der Tradition von Konsultationen werden Themen informell sehr lange durchgesprochen, bevor eine wichtige Entscheidung fällt. Zudem kann man über Wirtschaft teilweise mehr erreichen als über eine politische Partizipation - etwa indem man Entscheidungen von gesellschaftlicher Reichweite trifft, siehe derzeit die Debatte in Saudi-Arabien, ob Frauen als Kassiererinnen arbeiten dürfen. Die Wirtschaft hatte es durchgesetzt, die Religionsgelehrten wollen es verhindern; an der Praxis, dass Kassiererinnen arbeiten, ändert sich dennoch nichts. Emiratische Oppositionelle gibt es weder im Land selbst noch im Exil. Gerade Letzteres ist ein Indiz, dass es wirklich keine Opposition gibt. Die Einheimischen sind offenbar mit dem politischen System zufrieden. Medien haben hier ohnehin eine andere Rolle als im Westen. Die Gesellschaft hat eine mündliche, keine schriftliche Tradition. Nicht alles soll in den Medien stehen; sensibles soll intern geklärt und nicht in aller Öffentlichkeit ausgewalzt werden.

Irananders: Zugegeben gibt es verschiedene Definition von "Glück" und "glücklich sein". Aber gehen Sie davon aus, dass die Menschen trotz einer offensichtlichen Diktatur glücklicher leben als die Menschen in den freiheitlich-demokratischen Staaten Europas? Falls ja, kann man dann von einer "gewollten Diktatur" sprechen?

Dr. Rainer Hermann: Die Emiratis sehen ihre politische Ordnung nicht als "Diktatur", sondern als Arbeitsteilung zwischen den Herrscherfamilien und dem Rest der Gesellschaft, der die Herrscher – anders als in autoritären Staaten – einen großen Spielraum lassen. Eine andere Ordnung streben sie auch nicht an, weil sie wenig politisiert sind und es Tradition hat, die politischen Geschäfte einer Familie anzuvertrauen, damit sich die anderen der Wirtschaft widmen können.

Irananders: Viele Demokratietheorien besagen, dass die Demokratie erst durch Wohlstand und einer breiten Mittelschicht entsteht. Sie haben das am Beispiel der Türkei eindrucksvoll in Ihrem Buch "Wohin geht die Türkei?" beschrieben. Wieso gehen diese Theorien bei den Golfstaaten nicht auf, wo es schon seit Jahrzehnten eine breite Mittel- und gar Oberschicht gibt?

Dr. Rainer Hermann: Wir neigen dazu, unsere Erfahrungen mit der Demokratie für selbstverständlich zu halten. Eine starke Mittelschicht ist das Rückgrat für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und kann auch eine Demokratie stabilisieren. Vor allem eignet sie sich, um komplexer gewordene Gesellschaften zu steuern. In den Vereinigten Arabischen Emiraten sind diese Gesellschaften aber weiter nicht hoch komplex, nahezu jeder kennt in dieser Stammesgesellschaft jeden, nahezu jeder kann sich mit jedem absprechen. Die Komplexität nimmt zu, eine Demokratie zeichnet sich dennoch nicht ab. Denn die Emiratis stellen in ihrem Land nur noch 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung. Bei einer Demokratie gäben sie ihr Land aus der Hand. Gefragt sind daher andere Wege der Partizipation. In anderen Golfstaaten, die eine längere Geschichte der Urbanisierung haben, gibt es eine höhere Politisierung als in den Emiraten, vor allem in Kuwait und Bahrain.

Irananders: Sie leben seit fast zwanzig Jahren im Orient und konnten die dortigen Sitten und Kulturen aus der Nähe beobachten. In Anbetracht der nahezu europaweiten Islam- und Integrationsdebatten stellt sich die Frage, inwiefern sich der Moslem im Orient vom Moslem in Deutschland oder Europa unterscheidet?

Dr. Rainer Hermann: So wenig, wie es „einen“ Islam gibt, gibt es die „arabische Welt“ oder „einen“ Orient. Der sunnitische Islam in den arabischen Golfstaaten ist sehr tolerant. Ein Grund dafür ist, dass es Händlernationen sind, die mit anderen Völkern seit langem in Kontakt gestanden haben und damit weltoffen sind; ein zweiter, dass Theologen kaum eine Rolle spielen und in der Gesellschaft keine bedeutende Stellung haben. Die Einheimischen sehen sich in ihrer beduinischen Tradition als gute Muslime und wollen nicht, dass sie andere belehren, wie sie noch bessere Muslime sein können. Ohne „Theologen“, die andere zum Hass anstacheln, bleibt ihr Islam tolerant. Muslime in Deutschland ruhen indessen nicht in sich. Täglich sehen sie sich der Herausforderung einer zumindest materiell überlegenen Zivilisation gegenüber. Um ihre Identität bewahren zu können, grenzen sie sich über den Islam stärker ab.

Irananders: Vielen Dank für das Gespräch.


Perser06-12-10

das beste vom besten was ich je auf dieser Seite gelesen habe.
Dr. Rainer Hermann ist ein wahrer Kenner des Orients.

Le Mec@Perser07-12-10

ich ergänze Deinen Satz: ...weil er sich in jahrzehntelanger Gesellschaft von Golf-Arabern offenbar deren (häufig feindlich gesinntes) Iran-Bild angeeignet hat. Ich finde der Mann urteilt ziemlich voreilig und zu deutlich über Angelegenheiten, bei denen er sich nicht ausreichend von der Richtigkeit überzeugt hat. "Experten", die den Untergang der iranischen Wirtschaft in der kommenden Zeit herbeiprognostiziert haben hat es schon seit 1979 gegeben. Und damals wie heute beruhen ihre Prognosen auf falschen Hintergrundinformationen und erfüllen sich aus genau diesem Grund nicht. Im Falle von Herrn Hermann sind es die falschen Annahmen über die Pasdaran. Irananders hatte ja auch schon darüber berichtet: http://irananders.de/nc/home/news/article/pasdaran-in-der-iranischen-machtgefuege.html

william wolfo07-12-10

Herr Hermann lässt mich verwirrt zurück. "Beduinische Traditionen", freundlich-unpolitische "Händlernationen", Grundsatz der informellen Mündlichkeit (die wollen doch nur reden), Islam ohne Theologen .....
da scheint die Sonne im Herzen eines Orientalisten, der uns Geschichten von 1000 und eine Nacht erzäht.

Alireza07-12-10

Ohne die Reputation von Rainer Hermann angreifen zu möchten, finde ich seine Schlussfolgerungen eher mittelmäßig.

Seine knappe, erste Antwort ist geradezu herablassend:
"Es wird nicht die Türkei, sondern Wien oder Genf. Die Türkei spielt in dem Prozess keine Rolle."

Ich hoffe Hr. Hermann liest diese Zeilen und kann verblüfft feststellen, dass die nächsten Gespräche der 5+1 Gruppe Mitte Januar in Istanbul (Türkei!) stattfinden.

Angesichts der mehrmaligen (!) Reden von Chamanei persönlich, dass Atomwaffen nicht islamisch sind, Ihre Verbreitung verhindert werden müssen und er persönlich mehrmals (!) eine entsprechende Fatwa gegen Atomwaffen ausgesprochen hat, verliert folgende Aussage des >Experten< jeden Halt:
„Mit einer Einschränkung: Die Opposition distanziert sich eindeutig von der Idee, die atomare Technologie auch militärisch zu nutzen.“
Woher Hr. Hermann jetzt schon wissen will, dass der Handel zwischen Iran und den VAE bis zum Ende des Jahres auf 6 Milli. sinken wird, bleibt mir ein Rätsel. Nichteimal der IWF hat sich bis heute zu einer solchen Prognose getraut. Trotz der gesamten „Anti-Iran Medien Kampagne“ möchte ich auf folgenden Artikel hinweisen, der in den vergangenen Monaten untergegangen ist:
http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/deutsche-firmen-draengen-in-den-iran/1941986.html
Er behauptet auch, dass die Türkei nicht als Exporteur einspringen kann. Ist das aber nicht schon längst geschehen? Hat die Handelszeitung nicht erst vor wenigen Wochen einen Artikel veröffentlicht, indem der immense Ankauf von türkischen Firmen durch den Iran erläutert wurde?
http://www.handelszeitung.ch/artikel/Specials-Der-Umweg-ueber-die-Tuerkei_815438.html
Warum es in den arabischen Ländern keine Opposition gibt ist denkbar einfach und liegt an der Mentalität und Kultur der Menschen. Wir sind Perser, immer bestrebt ganz oben mitzuspielen, unabhängig zu sein und alles kontrollieren zu können. Die Araber sind viel einfacher zufrieden zu stellen. Dass Frauen in den arabischen Ländern nicht viel mehr Rechte haben als Tiere (ohne herablassend wirken zu wollen, das ist leider die Wahrheit) interessiert weder die Fraune noch die Männer in den arabischen Ländern. Dennoch wurde vor kurzem Saudi Arabien in die UN Fraunerechtskommision aufgenommen, was die mit Abstand größte Lachnummer der vergangenen 100 Jahre ist!
Wie sagte es der israelische Sicherheitsexperte Schueftan (der mit Sicherheit kein Freund der Iraner ist):
http://www.nachrichtende.com/nachricten/sicherheitsexperte_schueftan_-_die_irane-7190
An dieser Stelle möchte ich wegen den ständig negativen Kommentaren zur aktuellen Lage des Irans folgenden Artikel wiedergeben:
http://de.rian.ru/science/20100429/126120187.html

Ich stimme Ihm jedoch voll und ganz zu, wenn er behauptet, dass die Islamische Republik nicht überlebensfähig ist. Ich hoffe allerdings eine Revolution vermeiden zu können und plädiere für eine angepasste und schrittweise vorzunehmende Vorgehensweise.

„Die Erbarmungsloseste Waffe ist die gelassen Darlegung der Fakten“

Raymond Barre


Alireza

Dominik Schauffel07-12-10

"Dr. Rainer Hermann: Es wird nicht die Türkei, sondern Wien oder Genf. Die Türkei spielt in dem Prozess keine Rolle."
Tja so eine Arrogante Antwort verlangt wohl nach Wiederlegung in Rekkordtempo. Die Gespräche finden in Istanbul statt. Soviel zur Weitsicht von Nahostexperten!

Homayoun H.08-12-10

Danke für das Interview.

Die Analysen und Prognosen empfinde ich persönlich als Mittelmäßig bis komplett Falsch.

Ich persönlich habe bis dato noch keinen Nahostexperten kennenlernen dürfen. Sogar Persönlichkeiten wie Scholl Latour haben Probleme damit, wenn es um ein spezielles Land geht. Ich denke man sollte dieses Wort abschaffen. So etwas wie einen Europaexperten sollte es auch nicht im Iran geben. Wenn dann z.B. einen Deutschland Experten.

Die Thematik ist so Komplex, dass kein Westler da wirklich länderübergreifend durchblicken kann. Sogar Menschen die jahrelang im Iran gelebt haben, haben Probleme damit.

Das ist kein Vorwurf, aber man sollte Aussagen von sogenannten europäischen (und amerikanischen) Experten immer mit einem grain of salt nehmen.

Thomas Esseling11-12-10

Einiges wurde ja schon kritisch angemerkt, ich möchte auch noch auf die aberwitzige Behauptung am Persischen Golf -den Dr. Hermann wohl aufgrund seiner ökonomischen Verstrickungen mit den VAE einfach nur Golf nennt- gäbe es einen besonders toleranten Islam kann man vor allem wenn man Saudi- Arabien, andere Anrainerstaaten betrachtet, nur als Lachnummmer auffassen.
Die wahabitische Interpretation des Islams in Saudi Arabien Staatsideologie ist wohl die intolleranteste und engstirnigste Interpretation des Islam überhaubt.
Vor allem auch aus dieser Tatsache heraus erklären sich ja die Konflikte mit und das Misstrauen gegenüber Iran.
Iran hat im Gegensatz zu einigen Nachbarstaaten in den letzten Jahrhunderten kein Nachbarland überfallen.

Heinrich14-12-10

Das ist ja wunderbar!

Der Iran wird wegen angebliche Demokratiedefizite kritisiert, die Golfstaaten wegen ihrer angebliche Demokratieunfähigkeit in Schutz genommen! Klasse entlarvendes Interview!

Le Mec27-04-11

Rückblickend nach der brutalen Niederschlagung der Proteste durch die bahrainischen Sicherheitskräfte, die selbst vor dem Zerstören von Moscheen keinen Halt gemacht haben wirkt dieses Interview wirklich witzig...





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