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Iran-USA-Beziehungen: Gefahren und Chancen


Iran, USA, Flagge

2008 schrieb Zbigniew Brzezinski, die graue Eminenz unter den US-amerikanischen Globalstrategen, dass die Islamische Republik wieder die Rolle spielen könnte, die der Iran in der Region vor 1979 für die USA wahrgenommen hatte.

Prolog

Seit den vor drei Monaten verabschiedeten neuen UN-Sanktionen zeichnet sich eine allmähliche Umorientierung der iranischen Politik gegenüber den USA ab. Dem Westen wird sie nicht hilfreich sein, ganz im Gegenteil stellt sie uns vor neue Gefahren.

Als der Iran den Uran-Deal mit Brasilien und der Türkei auf Wunsch des US-Präsidenten Barack Obama unterzeichnet hatte, feierten dies iranische Diplomaten als einen Erfolg. Weder die zwei Vermittlerstaaten noch der Iran haben neue UN-Sanktion noch für möglich gehalten. Der türkische Außenminister sagte bereits am Tag der Unterzeichnung, dass nunmehr Sanktionen hinfällig geworden seien. Der Iran erstarrte in dieser Position noch Wochen nach der Ankündigung der US-amerikanischen Außenministerin Hillary Clinton, dass neue Sanktionen im UN-Weltsicherheitsrat beschlussfähig seien. Man wollte nicht realisieren, dass trotz höchster diplomatischer Anstrengungen - der Regierungschef, Außenminister oder andere hohe Diplomaten besuchten fast alle 15 Mitglieder des Sicherheitsrates - dennoch Sanktionen beschlossen werden können. Es ist völlig belanglos, ob der Westen den trilateralen Uran-Deal als unzureichend ansieht, ihn verwirft oder gar als Ablenkungsmanöver Teherans betrachtet. Fakt ist, das nach iranischer Wahrnehmung und Überzeugung man dem Westen entgegenkommen ist (eben so denkt Brasilien und die Türkei). Desto enttäuschter und frustrierter reagiert nun der Iran.

Iran-USA Beziehungen: Gefahren und Chancen

Als Anfang August US-Präsident Barack Obama ausgewählte Journalisten ins Weiße Haus einlud, um mit ihnen über den Iran zu diskutieren, konnte man im Vorfeld die Ankündigung einer neuen Iran-Politik vermuten. David Ignatius von der „Washington Post“, der an der Sitzung teilnahm, kommentierte das Treffen gar als ein Signal, dass die Urananreichung mit Auflagen im Iran fortgesetzt werden könne. Andere Teilnehmer, wie Marc Ambinder von „The Atlantic“, äußerten sich zurückhaltender und glaubten keinen neuen Kurs erkennen zu können. Die Vermutungen von Ignatius scheinen in einem solchen Fall realistischer, denn solche Meetings sind - wie er selbst einräumt - ungewöhnlich und ergeben nur einen Sinn, wenn ein Regierungschef eine neue Politik betreiben möchte, die aber nicht mehrheitsfähig ist und für die er mediale Vorbereitungen treffen muss, damit sie salonfähig werden kann. Dafür spricht auch Obamas Anspielung auf die gemeinsamen Interessen zwischen den USA und dem Iran in Afghanistan, die er während der Sitzung erstmalig erwähnte. Wahrscheinlich stammt der Mut, diese Faktenlage anzusprechen, aus den Wikileaks-Enthüllungen über Afghanistan, wo zum ersten Mal in eine breiteren Öffentlichkeit die kontraproduktive Afghanistan-Politik einiger US-Verbündeter (wie Pakistan) thematisiert worden ist. Auch wenn der Iran darin marginal erwähnt wurde, basieren diese ausdruckslosen Enthüllungen – im Gegensatz zu den Aktivitäten Pakistans – auf Gerüchten und unbestätigten Aussagen Dritter. Desto mehr stellt sich die Frage, wieso das eine Land für seine atomare Aufrüstung und der Unterstützung der Taliban belohnt wird und das andere - trotz seines langjährigen Kampfes gegen die Taliban und der Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrages - mit Sanktionen bestraft wird.

Im Iran wurden jedenfalls die Wikileaks-Enthüllung mit Freude zur Kenntnis genommen. Gleichzeitig erteilte man jedoch den Ankündigungen Obamas, mit dem Iran über Afghanistan sprechen zu wollen, eine Absage. Zu den sich ablehnend äußernden iranischen Politikern gehören interessanterweise eine Reihe von Politikern, die keine „Falken“ sind und eigentlich einen Ausgleich mit dem Westen suchen. Die Spekulationen einiger Medien über die konkrete Aussage des iranischen Staatsoberhauptes Ayatollah Khamenei, mit den USA keine Verhandlungen führen zu wollen, löst sich unter diesem Kontext auf. Es geht weder um die Atomverhandlungen der G 5+1 noch um bilaterale Gespräche über das Atomprogramm, sondern primär um Afghanistan und andere Schauplätze in der Region. Der Hinweis dazu liegt bereits in der Rede des Ayatollahs: die bilateralen Gespräche mit den USA über den Irak haben nicht zu einem Umdenken in Washington geführt. Der iranische Parlamentspräsident Dr. Ali Larijani drückte es noch drastischer aus. Er meinte, dass es ein Skandal sei, dass man nun nach der Verhängung von Sanktionen mit dem Iran über Afghanistan sprechen will. Diese Option sei durch die Verhängung von Sanktionen hinfällig geworden. Tatsächlich hat der iranische Präsident Mahmud Ahmadinejad den US-Präsidenten mehrmals gewarnt, dass neue Sanktionen die Beziehungen beider Staaten irreparabel schädigen würden und er wies auf Kooperationsmöglichkeiten im Hinblick auf bestimmte Krisenherde hin.

Aus westlicher Sicht sollten die UN-Sanktionen den technischen Fortschritt des Irans in der Nukleartechnologie kompensieren. Denn jeder Fortschritt des Irans in dieser Hinsicht würde bei Verhandlungen zum Vorteil des Irans gereichen und jede beschlossene Sanktion stellt bei Verhandlungen einen Vorteil des Westens dar. Im Westen geht man davon aus, dass die Sanktionen letztlich Teheran zum Umdenken bewegen können und man beide Verhandlungsmassen gegeneinander („freeze for freeze“) aufrechnen kann (diese Annahme ist jedoch zu leichtgläubig, weil der Iran dadurch leer ausgehen wird). In diesem Zusammenhang sagte US-Außenministerin Hillary Clinton im Frühjahr, also vor den beschlossenen, aber bereits anvisierten UN-Sanktionen, dass Verhandlungen erst nach neuen Sanktionen Sinn ergeben. Das mag für die Atomverhandlungen richtig sein (was aber äußerst bezweifelnswert ist), aber für die westlichen Interessen in Irak und Afghanistan keineswegs.

Die USA und der Iran haben trotz des Abbruchs der diplomatischen Beziehungen seit 1980 ein ambivalentes Verhältnis. Zwar gilt der jeweils andere als Gegner, aber beide Seiten waren oft pragmatisch genug, um bei gemeinsamen Interessen zusammenzuarbeiten. Das geschah unter anderem im Hinblick auf den Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien, hinsichtlich des Afghanistan-Krieges und beim politischen Wiederaufbau des Iraks. Hamid Karzai ist quasi eine iranisch-amerikanische Co-Produktion, die in der „Petersburger Konferenz“ entstanden ist. Dennoch blieben solche Kooperationen nur taktischer Natur und führten nie dazu, dass beide Seiten eine umfassende Lösung ihrer Probleme anstrebten. Im Falle Afghanistans ordnete George W. Bush jun. den Iran – nach der Kooperation in Afghanistan – der „Achse der Bösen“ zu. Und Barack Obama beschloss - nach dem trilateralen Abkommen mit dem Iran und der Zusammenarbeit mit dem Iran im Irak - unilaterale sowie UN-Sanktionen gegen den Iran. Aus iranischer Sicht ergibt es keinen Sinn, den USA beim Erreichen seiner sicherheitspolitischen Ziele in der Region weiterhin behilflich zu sein, wenn gleichzeitig keine Aufwertung in den Beziehungen stattfindet. Die Aussagen Ayatollah Khameneis nimmt Bezug auf diesen Umstand, keine - aus US-Sicht taktischen - Kooperationen mündeten in der Anerkennung der islamischen Republik.

Allerdings bedeuten die neuen Signalen aus Teheran kein fundamentales Umschwenken in der iranischen Irak- und Afghanistan-Politik. Der Iran bleibt ideologischer Feind der Taliban und mit den Schiiten und Kurden im Irak eng befreundet. Zudem ist man aus rein pragmatischen Gründen an Sicherheit und Stabilität in beiden Staaten interessiert. Das Handelsvolumen mit beiden Ländern wächst signifikant und der Kampf gegen den Drogenflut aus Afghanistan wird nicht durch eine geschwächte Zentralregierung gewonnen. Einen Vorwand für weitere Druckausübungen und Sanktionen möchte man allenfalls den USA nicht geben.

In diesem Sinne wird es wohl darauf hinauslaufen, dass der Iran keine weiteren Verhandlungen mit den USA führen wird, wenn die iranischen Interessen zumindest in der Atomfrage nicht berücksichtigt werden. Andererseits heißt das, dass der Westen seine Ziele in Afghanistan und Irak nicht erreichen kann ohne das Zusammenspiel mit Teheran.

Vor den Sanktionen sah das Szenario in jeder Beziehung anders aus.


Nachtrag

Ayatollah Khamenei sagte des Weiteren in seiner Rede, dass die bilateralen Gespräche mit den USA über die regionalen Themen erst wieder aufgenommen werden können, wenn u. a. die Sanktionen aufgehoben werden und sich die US-Politik gegenüber dem Iran grundlegend ändert.

Diese wichtige Passage in seiner Rede kam weder in der iranischen noch in der westlichen Presse vor. In beiden wurde mehr oder weniger dargelegt, dass der Ayatollah Gespräche mit den USA ablehnt, ohne jedoch seine Begründung zu erwähnen, was zu der allbekannten Annahme und zum Vorurteil führt, dass der Iran prinzipiell und grundsätzlich aus ideologischen Gründen Gespräche mit den USA ablehnt und somit gewissermaßen eine trotzige, unbegründete sowie irrationale Politik verfolgt.

Da in der iranischen medienpolitischen Kultur Härte gegenüber den USA als Zeichen der Stärke gilt, werden die Reden der Staatsführer sehr selektiv zusammengefasst. Für einen Wissenschaftler und Iran-Experten ist es daher unverzichtbar, die Reden im persichen Original vollständig zu lesen, da Zusammenfassungen iranischer Medien oft unzulänglich sind. Siehe auch „Ahmadinedschad-Zitat: „Botschafter des Todes“ oder „Botschafter des Friedens“?“, wo die iranischen Presse selbst Ahmadinejad verzerrt und unvollständig zitiert.


Beobachter09-09-10

Als jahrelanger aktiver Beobachter finde ich nur Zustimmung zu diesem Artikel. Es war nicht nur Brzezinski, der so dachte, sondern viele andere mehr nahmen allmählich diesen Standpunkt ein. Die Ereignisse vom letzten Jahr auf den iranischen Straßen haben diese neu begonnenen Debatten in dem Keim ersticken lassen.

http://www.handelsblatt.com/politik/international/iran-ist-eine-insel-der-stabilitaet;2125354

@Beobachter09-09-10

Danke für den Link.

Auch interessant: http://www.youtube.com/watch?v=nRGsv9_ZxL8

nuri09-12-12

Warum die Beziehung zu USA so lebenswichtig ist? kann jemand meine Frage beantworten?





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