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Mohammadi Ashtiani und die Geständnis- und Foltervorwürfe


Iran, Geständnis, Ashtiani

Weder gibt Sakineh Mohammadi-Ashtiani (l.) im Interview den Mord noch die Beihilfe zum Mord zu. (Photo: IRIB)

Es ist Mittwoch, der 11. August 2010 und 20:30 Uhr Teheraner Ortszeit. Das iranische Fernsehen zeigt in seiner Sendung „20:30“ angeblich ein durch Folter erzwungenes Geständnis von Frau Sakineh Mohammadi Ashtiani. Wirklich?

Mit Verlaub: Nein! Freilich stellt der Richter in der Sendung fest, dass sie nicht die „Hauptmörderin“ ist, sondern lediglich die Komplizin. Sie habe ihren Ehemann Mittel verabreicht, damit dieser ohnmächtig wird - und ihr Geliebter brachte ihn daraufhin mit einem Stromkabel um. Aber Mohammadi-Ashtiani selbst gesteht in der Sendung weder den Mord noch die Beihilfe zum Mord. Ganz im Gegenteil: Sie verneint jegliche Beteiligung, in dem sie sagte, dass sie zwar den Mörder, den Cousin ihres Ehemannes, gekannt habe und dieser  angekündigt habe, ihn umzubringen, aber sie hätte gedacht, dass dieser verrückt wäre oder sich einen Spaß erlaube – auf jeden Fall habe sie ihm nicht geglaubt. Das habe sich erst geändert, als sie am Todestag ihres Ehemannes nach Hause kam und tatsächlich den Cousin ihres Mannes mit Gegenständen für einen Mord (Handschuhe und Elektrokabel) antraf. Bis dahin hätte sie alles für einen schlechten Scherz gehalten. Frau Ashtiani gesteht auch nicht den Ehebruch mit dem Cousin ihres Mannes, sondern lediglich, dass sie durch seine Worte und seine Redegewandtheit beeindruckt und getäuscht worden war.

In der Geschichte der Islamischen Republik gab es immer wieder Fälle öffentlicher Geständnisse, wo Geständige auch explizite „Sexualdelikte“ wie Ehebruch und dergleichen zugaben. Dass eine solche Passage aus Gründen der Tabuisierung in der „20:30“-Sendung ausgelassen wurde, ist somit nicht plausibel, zumal die Sendung die Aussagen von Frau Ashtiani auch nicht als Geständnis darstellt. Vielmehr zielt die Sendung darauf ab die westliche Presse zu verurteilen. Sie moniert, dass diese ein Mindestmaß an journalistischer Sorgfalt im Fall Ashtiani vermissen lässt und sie brandmarkt das angebliche Interview der britischen Zeitung „Guardian“ mit Frau Ashtiani als eine Lüge. Zugleich macht sie darauf aufmerksam, dass der Menschenrechtler Mohammad Mostafaei nie der Anwalt von Frau Ashtiani war und sich beide nie gesehen hätten.

Einigen Autoren von Irananders ist diese Ungereimtheit bereits vor einigen Wochen aufgefallen. Die exil-iranische Aktivistin Mina Ahadi und ihre Organisation „Stop Stoning Now“, die den „Fall Ashtiani“ in die deutsche Öffentlichkeit gebracht hat, stellte am 7. August auf ihrer Homepage ein Schreiben ihres richtigen Anwaltes, Houtan Kian, ein. Darin heißt es, dass er seit zwei Jahren ihr Anwalt sei (im Kommentar der Übersetzung wird irrtümlicherweise ein Jahr angegeben). Eine Suche bei  „Google“ ist sehr aufschlussreich: vom 1. Juli bis 25. Juli - also Wochen nach Beginn der Kampagne zu ihrer Freilassung und dem anschließenden Dementi des Iran, dass Frau Ashtiani nicht bzw. nie gesteinigt werden sollte – brachte der Begriff "Mohammad Mostafaei" bei Google 32.500 Treffer. Der Name Houtan Kian erzielte dagegen nur drei Treffer, wobei alle drei Einträge in Wirklichkeit außerhalb dieses Zeitraums lagen und aus der jüngsten Zeit stammen (ein Bug von Google). Aus iranischer Sicht erklärt sich nun, weshalb das iranische Geheimdienst Mohammad Mostafaei vor seiner Flucht nach Norwegen einlud (die iranische Staatsanwaltschaft dementiert jedoch den angeblichen Haftbefehl gegen ihn.) Denn alle Medien haben Mohammad Mostafaei - wie dies auch eine Suche bei Google offenbart - als den Anwalt Ashtianis dargestellt und zitieren ihn bevorzugt zu diesem Fall. Offensichtlich hat er sich als ihr Anwalt ausgegeben.

Das Fazit des Videos ist, dass Ashtiani keine neuen Enthüllungen preisgegeben hat und es auch keine neue Informationen hergibt, die nicht bereits ihr richtiger Anwalt, Houtan Kian, in seinem Schreiben vom 7. August der Öffentlichkeit mitgeteilt hat. Dass nun ausgerechnet dieser Foltervorwürfe wegen der (eigentlich entlastenden) Aussagen Ashtianis erhebt, ist nicht nur schleierhaft, sondern ziemlich fragwürdig. Die einzige Quelle für diese Vorwürfe scheint Frau Mina Ahadi zu sein. Ahadi ist bekannt für ihre strittigen und zum Teil unwahren Aussagen. Unter anderem behauptet sie in einem Vortrag, dass seit der islamischen Revolution im Iran laut Amnesty International 4000 Homosexuelle hingerichtet wurden. Ferner behauptet sie, dass jede Familie im Iran ein Opfer der Steinigung zu beklagen hat. All diese Zahlen werden von Amnesty International nicht bestätigt, im Gegenteil stellt AI beispielsweise seit 2002 „nur“ sechs Steinigungen im Iran fest und dementierte explizit gegenüber Irananders, dass sie jemals von 4000 hingerichteten Homosexuellen sprachen. Die Beweisführung zur Ermittlung des Straftatbestandes der Homosexualität ähnelt den "Delikten", für die die Steinigung vorgesehen ist. Ferner wird bei Frauen - anders als bei Männern - erst beim vierten „Vergehen“ die Todesstrafe vollstreckt. Wenn es wirklich 4000 hingerichtete Homosexuelle in den letzten 31 Jahren gegeben haben sollte, so würde dies einen Durchschnitt von fast 130 Hingerichteten im Jahr bedeuten. AI gibt die Zahl der Hingerichteten im Iran mit etwa 330 jährlich an (in früheren Jahren weniger). Fast die Hälfte der Hingerichteten wären nach der Aussage Ahadis Homosexuelle (in früheren Jahren sogar mehr als die Hälfte), was in Anbetracht der vielen hingerichteten Drogenhändler absurd klingt. Ebenfalls AI gibt in seinen Report an, dass die meisten Todesstrafen im Iran aufgrund von Drogendelikten verhängt werden (84 % aller Beschlagnahmungen von Opium findet nach UN-Angaben im Iran statt).

Dass nun die Medien (ungeachtet dessen) Ahadis Aussagen kritiklos übernehmen, sollte nicht verwundern. Nach den so genannten Schauprozessen während der Wahlunruhen im letzen Jahr sind reflexartige Foltervorwürfe gegenüber dem Iran zu erwarten. Auch damals gab es Anschuldigungen über Folter gegen prominente Oppositionsführer, die sich später als unwahr heraus gestellt haben (Folter gegen andere Häftlinge gab es jedoch allemal!). Debatten und konträre Meinungen entstehen nur, wenn es Gegenstimmen gibt. Der Iran hat weder eine gesellschaftliche Basis im Westen noch eine Interessensgruppe für seine Belange. Damit gilt er medial als Vogelfrei. Sein schlechtes Image im Westen ist geradezu prädestiniert.

Aufgrund dieser Voraussetzungen gestaltet sich eine Wahrheitsfindung als sehr schwierig. Große Medienverlage wie „Stern“ oder „Spiegel“ sollten aber die Ressourcen besitzen, um zumindest die Sendung „20:30“ sich übersetzen zu lassen. Ebenso unverständlicher ist, dass seriöse und vertrauenswürdige Menschenrechtsgruppen wie Amnestie International in jener Sendung ein „Foltergeständnis“ erkennen.

Wir dagegen können nur auf die umfangreiche Analyse „Problemfeld Steinigung“ hinweisen, die bestrebt ist, eine Lösung der Problematik - ohne erhobenen Zeigefinger - auszuloten.


D18-08-10

ich möchte Ihnen erstmal für diese InfoSeite gratulieren.Es ist kaum zu glauben wie manipulativ die westlichen Medien berichten.Erschreckend ist vor allem wie einfach es ist. Ich hoffe, dass jene Schreiber von Spiegel und co. von Ihrer Seite wissen. Auch wenn es an deren Skrupelosigkeit nix ändern wird.

Albert18-08-10

Wenn man nicht einmal eine Übersetzung gebacken kriegt oder sie einfach - allen Anschein - von Dritten übernimmt. Was kann man in dieser Geschichte noch glauben?

Asghar18-08-10

Das ist mir auch aufgefallen. Hier die Sendung ungekürzt:

http://www.youtube.com/watch?v=C9EJCp0zYts

Diesen Skandal sollte man überall rum posten.

Markus18-08-10

Von welchen Skandal sprechen sie? Das die freie Presse im Iran nur inhaltlich korrekte aussagen liefert ist ja bekannt. Und die staatlich kontrollierten Medien die es bei uns im Westen gibt sollten sich besser an der völlig unabhängigen und unparteiischen Berichterstattungen aus den Iran orientieren. Sicher, im Iran werden Menschenrechte massiv verletzt, aber ehrlich, wen juckt das? Da wurde doch nur eine Frau verurteilt. Ok, sie hatte keinen richtigen Zugang zu einem Anwalt aber nicht jeder Mensch hat Rechte und schließlich geht es um Mord. Außerdem hat sie wahrscheinlich darauf bestanden in die Öffentlichkeit gezerrt zu werden. Ich finde ohnehin jeden Anwalt der aus dem Iran kommt und sich für Menschenrechte einsetzt sehr seltsam, denn nirgendwo anders auf der Welt bedeuten Menschenrechte mehr als im Iran. Sicher hier und da werden ein paar hundert im Jahr hingerichtet, aber ist das wirklich wichtig. Es gibt doch auch andere Länder die sowas machen. Iran hat die selben rechte wie jedes andere Land und wen die Iraner jeden Tag 10000 Iraner hinrichten, geht es nur den Iran an. Wenn sie mich fragen sollten alle Menschen die sich für andere einsetzen für ihr eigennütziges Handeln gesteinigt werden.

Opa18-08-10

Skandal gegen Skandal

An Markus19-08-10

Es ist ein Skandal, wenn ein ganzer Kulturraum eine korrekte Übersetzung nicht hin bekommt. Von den USA, Kanada bis zu den skandinavischen Ländern über West- und Mitteleuropa. Übrigens sind das alle demokratische Staaten!

M.H.19-08-10

Opa Ihr Kommentar ist mehr als lächerlich. Sie werfen alles in einen Topf und versuchen Granit mit Wasser zu mischen. Nichts desto Trotz ist Steinigung Falsch und sollte schnellstmöglichst verboten werden. Bevor wir aber urplötzlich mit der Kritisierung der Todesstrafe im Iran anfangen, sollten lieber die Nationen, die mit allen Mitteln ihr korruptes System etablieren wollen, einen Blick auf ihre eigene Politik werfen.

Schon erstaunlich, dass der Westen so eng mit der arabischen Welt zusammenarbeitet, ohne auch nur einmal das Wort Demokratie in den Mund zu nehmen. Denn wie sie sicherlich wissen gibt es auf dieser Halbinsel nichteinmal Wahlen oder irgendeine andere Art von Mitbestimmungsrecht der Bevölkerung.

Ich hab den ganzen Kramm langsam echt satt. Mich stündlich durch die Medien zu lesen und immer wieder auf solche Leute zu treffen, die um Himmels Willen alles besser wissen.


Gott segne das wehrhafte iranische Volk, gott segne Venezuela und Gott segne Kastro! Auch wenn Ihre Westen nciht ganz sauber sind, so gehören Sie im Vergleich zu Europa und (Nord)Amerika doch zu den Guten!

Was soll ich nur meinen enkeln erklären wenn die mich mal fragen: "Wieso haben die Menschen damals nichts gegen etwas so offensichtliches unternommen?Warum habt ihr die verdeckte Massenvernichtungswaffe -UranMunition- blind tolleriert und seid blind in jeden Krieg gezogen?"


Sollte es einen Gott geben, so bitte ich Ihn uns allen Beizustehen und uns vor unserer eigenen Dummheit zu retten!

RA19-08-10

Die voreingenommene Meinung über den Iran hat weniger mit dem Thema Demokratie zu tun, sondern das Thema-Ashtiani hat sich verselbstständigt und folgt gewissen Erwartungsmustern. Man erwartet von dem Iran Foltergeständnisse. Da kann es passieren, dass man nicht genau zu hört, was die Dame zu sagen hat. Dennoch - aufgrund der Tragweite und Brisanz des Themas - kann man es als Skandal bezeichnen. Jedenfalls keine sauber journalistische Arbeit.

Homayoun H.20-08-10

Kein Dialog mit Iran! Nieder mit der islamischen Republik!

(nein, keine Sorge, nur ein kleiner Spass zwischendurch).

Gut recherschierter Artikel. Danke für die Mühe.

Alberon05-09-10

Sie schreiben oben.
[Ferner wird bei Frauen - anders als bei Männern - erst beim vierten „Vergehen“ die Todesstrafe vollstreckt.]
Wenn man bei einer Verhandlung vier vergehen feststellt quasi Todesstrafe oder?
Dann eine ganz einfache Frage, wie stehen eigentlich die Macher dieser Seite zur Steinigung.

RA08-09-10

@Alberon

Ja, das ist richtig. Wenn es drei vorangegangene rechtskräftige Verurteilungen gibt, ist die vierte Verurteilung die Todesstrafe.

Zur Steinigung schrieb Irananders: Wir dagegen können nur auf die umfangreiche Analyse „ Problemfeld Steinigung“ hinweisen, die bestrebt ist, eine Lösung der Problematik - ohne erhobenen Zeigefinger - auszuloten. ( http://irananders.de/home/news/article/problemfeld-steinigung.html )

thor12-01-11

amnesty hat sehr viel zu beanstanden, differenzierung ist sicher wichtig aber es scheint als ob auf dieser seite nur positive beispiele herausgefiltert werden
https://www.amnesty.de/laenderbericht/iran?country=52&topic=233&node_type=&from_month=0&from_year=&to_month=0&to_year=&submit.x=91&submit.y=2&submit=Auswahl+anzeigen&result_limit=10&form_id=ai_core_search_form

Redaktion12-01-11

Eine wichtige Aufgabe von Irananders ist es, die Qualität der Iran-Berichterstattungen zu verbessern, dass es nicht immer gelingt, kann nicht abgestritten werden. Irananders sieht jedoch keinerlei Bedarf all die Missstände, die es im Iran gibt und allgemein bekannt sind und unbestreitbar sind zu wiederholen bzw. in diesem Sinne zu duplizieren. Dazu gibt es genug Medien und Plattformen, deren Existenz und Arbeit auch zu begrüßen und lobenswert sind. Sich nur auf einen Medium zu stützen um Realitäten über den Iran zu erhalten ist ohnehin unklug. Dafür sind das Land und die dortige Politik zu vielschichtig und kontrastreich. Diese in der kompletten Fülle darzubringen, ist Irananders aus Gründen der knappen Ressourcen nicht möglich und anderen Medien wohl aus Kompetenzgründen nicht. Was Irananders betrifft, sie sind nicht einmal in der Lage ihr Hauptbestreben, alle einseitige Analysen, Interpretationen und Nachrichten, die es über den Iran gibt, differenziert ins rechte Licht zu rücken, nachzukommen. Nichtsdestotrotz bringt Irananders doch ab und zu Iran-kritische Beiträge, die man zum Teil gar anderswo auch nicht liest. http://irananders.de/nachrichten/news/article/filmemacher-dreht-mit-amateuren-um-zensur-umzugehen.html

Eine Politik hat nur dann Erfolg, wenn sie auf Basis von höchstmöglichen Realitäten formuliert wird. Die einseitigen Berichterstattungen und die damit einhergehende einseitigen Analysen begünstigen eine Politik jenseits der umfassenden Realitäten, die weder im Interesse der iranischen Gesellschaft noch im Interesse des Westens ist.

Homosexualität15-08-17

Simon Jacob: Homosexualität ist Bestandteil aller Gesellschaften. Wie handhabt man das allgemein im schiitischen Islam?

Shayan Arkian: Auch hier gibt es eine Besonderheit im schiitischen Islam. Zwar ist Homosexualität wie bei den meisten abrahamitischen Religionsgruppen verboten, aber interessanterweise war es gerade der Revolutionsführer der Islamischen Revolution in Iran, Ayatollah Ruhollah Khomeini, der erstmals eine Fatwa herausgab, wonach es Muslimen gestattet ist, ihr Geschlecht zu ändern. Während der Schahzeit drohte den Transvestiten in Iran noch die Todesstrafe. Heute ist aber der Iran das Land nach Thailand, in der die meisten Geschlechtsumwandlungen vollzogen werden, auch weil der Staat operative Eingriffe subventioniert.

Der Gedanke dahinter ist eine theologische Spitzfindigkeit, die wir auch vom Judentum kennen. Sie besagt, dass Gottes Religion vollkommen ist und auf diese Weise hat er alles Schlechte in seiner Religion verboten und alles andere, was in seiner Religion nicht für verboten erklärt wurde oder einfach unerwähnt ist, kann folglich nicht schlecht sein und ist daher erlaubt – andernfalls wäre seine Religion lückenhaft und dementsprechend nicht vollkommen. Nach diesem Konzept ist einerseits Homosexualität verboten, da diese in den für authentisch betrachteten islamischen Schriftquellen so erklärt wird, andererseits aber nicht die Geschlechtsumwandlung, da diese nach Auffassung der religiös-politischen Staatsoberhäupter in Iran nirgends im edlen Qur’an und in den Überlieferungen der Familie des Propheten sanktioniert bzw. erwähnt wird. Demnach sind Geschlechtsumwandlungen nicht nur erlaubt, sondern sie sind sogar zu subventionieren, um die verbotene Tat des Austauschs von Erotik unter gleichen Geschlechtern möglichst zu vermeiden.

Simon Jacob: Werden im schiitischen Iran Homosexuelle wegen ihrer sexuellen Neigung erhängt?

Shayan Arkian: Wenn Homosexuelle sich nicht für die Geschlechtsumwandlung entscheiden, sondern mit dem gleichen Geschlecht sich erotisch betätigen, dann kann dies unter Umständen zu einer strafrechtlichen Verfolgung führen.

Das heißt, die sexuelle Gesinnung alleine reicht nicht aus, die Tat muss ausgeführt werden und die Beweislast ist sehr hoch und komplex. So droht männlichen Homosexuellen die Todesstrafe, wenn ihre Penetration eindeutig von mindestens vier Zeugen, die zudem mehrere Voraussetzungen erfüllen müssen, mit eigenen Augen unmittelbar beobachtet wurde – und dies droht dem aktiven Part einzig und allein, wenn er unter anderem verheiratet ist. Bezeugen es zum Beispiel nur drei oder weniger, so werden diese wegen Verleumdung drakonisch bestraft und jegliche Ermittlungen gegen die Beschuldigten sind verboten!

In diesem Sinne beabsichtigt die Gesetzgebung, dass, wenn schon solch eine Tat stattfindet, sie diskret geschehen soll, um nicht die nötigen vier Zeugen zu haben. Und wenn sie doch einmal beispielsweise von drei oder weniger Personen bezeugt werden kann, dann werden diese sie wegen der drohenden schweren Strafe der Verleumdung nicht kundtun. Im Klartext soll die ausgelebte Homosexualität geheim bleiben, entweder weil sie in einer ausreichenden Diskretion stattfindet oder beispielsweise die drei oder weniger Zeugen nicht davon erzählen. Ziel des Ganzen ist, dass diese Sünde nicht durch erzählerische Verbreitung in der Gesellschaft salonfähig wird und damit an gesellschaftliche Abscheu verliert.

Simon Jacob: In den Medien kursiert aber immer wieder die Zahl von 4.000 hingerichteten Homosexuellen in Iran seit der Revolution von 1979.

Shayan Arkian: Ja und einige erwähnen sogar die Zahl von 6.000. Das sind Zahlen, die wohl irgendwann von parteiischen Exil-Oppositionellen in die Welt gesetzt wurden und seitdem von unachtsamen Journalisten immer wieder ungeprüft abgeschrieben werden. Im Falle der Islamischen Republik Iran klappt das auch wunderbar, da sie keine gesellschaftliche Basis im Westen hat und damit auch keine nennenswerten Interessensgruppen in der hiesigen Politik, Medien und Kultur, woraus ein deutlich wahrnehmbarer Widerspruch entstehen würde, um solche blödsinnige Behauptungen unverzüglich und breitflächig als Räuberpistolen zu entlarven. Dies ist mitunter der zentrale und strukturelle Grund, warum der Iran-Diskurs in der westlichen Hemisphäre seit der Revolution von 1979 – mit wenigen Ausnahmen – ausgesprochen eintönig und defizitär ist.

Aber zurück zum Thema: Sowohl Amnestie International als auch Human Rights Watch dementieren diese Zahlen. Es gibt eine Einhelligkeit darüber, dass die meisten Hinrichtungen in Iran aufgrund der Drogenkriminalität, die im Wesentlichen aus Afghanistan importiert wird, vollzogen werden (84 % der weltweiten Beschlagnahmungen von Opium findet nach UN-Angaben im Iran statt). Falls die oben genannten Zahlen stimmen sollten, dann wären in den letzten 37 Jahren in Iran aber mehr Homosexuelle hingerichtet worden als Drogenkriminelle. Dies ist jedoch absurd, zumal Homosexuelle den Ausweg der Geschlechtsumwandlung mit staatlicher Finanzierung haben, die Beweishürde für strafrechtliche Sanktionen auf homosexuelle Taten sehr hoch und komplex ist und lesbische Taten ohnehin nicht mit der Todesstrafe belangt werden. So beziffert selbst die exil-iranische Menschrechtsgruppe „Iran Human Rights“ die Zahl der verhängten Todesstrafen in Iran, die im Zusammenhang mit der islamischen Sexualmoral stehen, mit nur einem Prozent.

http://peacemaker-tour.com/der-koran-hat-sex-sells-erfunden/





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